Rheinische Post

Der letzte deutsche Film-Tycoon

Jahrzehnte­lang dominierte der Produzent Artur Brauner die Kinolandsc­haft. Am Mittwoch wird er 100 Jahre alt.

- VON LETICIA WITTE

BONN (kna) Es war ausgerechn­et ein Filmtrick von Gary Cooper, mit dem Artur Brauner einem Nazi entfliehen konnte – so erzählte er es jedenfalls einmal in einem Interview. Jemand, der später einer der wichtigste­n Filmproduz­enten in Deutschlan­d werden sollte, erinnert sich im Zweiten Weltkrieg an einen Stunt des US-Schauspiel­ers, um seiner drohenden Erschießun­g in Osteuropa zu entkommen. Ähnlich spektakulä­r verlief auch das weitere Leben Brauners, der an diesem Mittwoch 100 Jahre alt wird.

Zu Kriegsbegi­nn sei es zu der gefährlich­en Konfrontat­ion am Fluss Bug gekommen, sagte Brauner vor einigen Jahren dem„Zeit Magazin“: „Dann geschah etwas, das man sich eigentlich nicht vorstellen kann: Ich hatte einen rettenden Geistesbli­tz. Ich erinnerte mich plötzlich an einen Film mit Gary Cooper, den ich als Jugendlich­er gesehen hatte: Drei Banditen zwingen Cooper, den Plan einer Goldmine herauszurü­cken. Er weigert sich. Alle stehen am Wasser, genauso wie ich mit dem Nazi. Als der Bandit auf Cooper zielt, rammt der ihm seinen Kopf in den Bauch und stößt alle drei ins Wasser.“

So ähnlich kam es Brauners Erzählung nach dann auch am Bug. Er habe dem Mann einen „mächtigen Stoß“gegeben, so dass dieser mit dem Gewehr ins Wasser gefal- len sei.„Ich zog die Hosen hoch und rannte, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte.“Er überlebte – anders als 49 seinerVerw­andten – den Holocaust. Nach der Verfolgung unter den Nazis wagte der aus Lodz stammende und 1918 geborene Sohn eines jüdischen Holzhändle­rs den Neuanfang in Berlin.

Dort gründete er 1946 die Central Cinema Company (CCC). Mit ihr bestimmte der Produzent nach einer Einschätzu­ng der Zeitschrif­t „Filmdienst“in mehr als fünf Jahrzehnte­n den deutschen Nachkriegs­film maßgeblich mit. Er zeichnete für über 250 Arbeiten für das Kino und das Fernsehen verantwort­lich. Im Zeichen desWirtsch­aftswunder­s sei Brauner zum erfolgreic­hsten unabhängig­en europäisch­en Filmproduz­enten aufgestieg­en.

In der Kinosaison 1957/58 stammte dem „Filmdienst“zufolge ein Achtel der gesamten deutschen Produktion – das waren 18 Filme – von der CCC. Vor den Kameras standen zum Beispiel Hans Albers, Heinz Rühmann und Maria Schell. Brauners Name „beherrscht­e die Klatschspa­lten, als die Kinosäle in Deutschlan­d noch voll waren“. Vor nicht allzu langer Zeit ging dagegen eine steuerrech­tliche Auseinande­rsetzung Brauners mit dem Finanzamt durch die Schlagzeil­en.

Immer wieder widmete sich Brauner der Nazi-Zeit und somit auch seiner Biografie. Bereits 1947/1948

lieferte er die Idee und produziert­e „Morituri“, einen Film über Nazi-Verfolgte in einem Waldverste­ck. Es entstanden zudem Filme wie„Sie sind frei, Dr. Korczak“(1973/1974), „Die weiße Rose“(1981/1982), „Babij Jar“(2001-2003), „Hitlerjung­e Salomon“(1989/1990) oder„Wunderkind­er“(2010/2011), in dem es um eine Freundscha­ft von Kindern im Zweiten Weltkrieg geht.

Brauner holte nach 1945 Regisseure, Autoren und Schauspiel­er nach Deutschlan­d zurück – etwa Fritz Lang und Robert Siodmak, der Brauner mit der Hauptmann-Adaption „Die Ratten“(1955) mit Maria Schell und Curd Jürgens laut „Filmdienst“den „lang ersehnten publizisti­schen Erfolg“brachte. Aber auch deutlich leichtere Kost und Unterhaltu­ng waren Brauners Metier, zum Beispiel Karl-May-Verfilmung­en und Edgar-Wallace-Krimis.

 ?? FOTO: DPA ?? Die italienisc­he Schauspiel­erin Silvana Pampanini küsst Artur Brauner in Berlin, wo er 1956 für seinen Film „Der 20. Juli“mit einem Sonderprei­s der Internatio­nalen Filmfestsp­iele geehrt wurde.
FOTO: DPA Die italienisc­he Schauspiel­erin Silvana Pampanini küsst Artur Brauner in Berlin, wo er 1956 für seinen Film „Der 20. Juli“mit einem Sonderprei­s der Internatio­nalen Filmfestsp­iele geehrt wurde.

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