Rheinische Post

Den Himmel gerne schön bunt

Junge Erwachsene treffen sich in Bars und Restaurant­s und malen unter Anleitung. ArtNight heißt der Trend. Ein Selbstvers­uch.

- VON NATALIE URBIG

Ich bin zum Malen im Tanzhaus Löwenburg verabredet. Mitbringen brauche ich dafür nichts, nicht einmal künstleris­ches Talent. Darauf wurde bei der Anmeldung extra hingewiese­n. Und das nehme ich beim Wort.

Bei einer „ArtNight“mache ich mit. Das Konzept dürfte manchen aus der Fernsehser­ie „Höhle der Löwen“bekannt sein. Dort stellten die Gründer David Neisinger und Aimie-Sarah Henze ihre Idee vor: Menschen treffen in lokalen Bars und Restaurant­s aufeinande­r und malen unter Anleitung einer Künstlerin ein Bild. Begonnen hat das Start-up in Berlin, mittlerwei­le werden die Veranstalt­ungen in 37 Städten angeboten. Düsseldorf ist eine davon.

An diesem Abend, für den ich mich entschiede­n habe, wird mit der Künstlerin Zina ein Sonnenunte­rgang gemalt. Und so sitze ich nun mit 25 anderen Teilnehmer­n (die Frauen sind eindeutig in der Überzahl) vor weißen Staffeleie­n. Zina zeigt uns mehrere Techniken, wie wir die Farbe darauf verteilen können. Wir sollen mit dem Himmel beginnen und dabei ruhig mutig sein. „Er kann gelb, grün blau und pink werden, alles ist erlaubt“, sagt Zina.Während ich noch überlege, welche Farben sich wohl gut kombiniere­n lassen, hat meine Nachbarin schon konkretere Pläne: „Ich möchte mein Bild in Sepia malen, das passt am besten zu meinem Wohnzimmer.“Ich nicke und setze beflügelt von so viel Kreativi- tät zu meinem ersten Pinselstri­ch an – bald schon färbt sich die weiße Leinwand pink.

Das Konzept der ArtNight scheint einen Nerv zu treffen. Das wurde mir schon klar, als ich mich auf derWebseit­e umsah. Denn dieVeranst­altungen sind schnell ausgebucht. Zina erklärt sich das Phänomen so: „In Zeiten der Digitalisi­erung haben wir Hunger nach direktem Kontakt und danach, etwas zu schaffen, das wir in den Händen halten können.“

Ehe ich mich an die Palmen machen kann, muss mein Himmel trocknen. Auch die anderen Teilnehmer legen nun eine kleine Pause ein, stehen von ihren Plätzen auf und kommen mit einemWein in der Hand miteinande­r ins Gespräch. Ich lerne Christina und Winta kennen, die sich schon bei einer anderen ArtNight getroffen haben, damals aber vergessen haben, ihre Nummern zu tauschen. Das wird nun nachgeholt. „Ich bin neu in der Stadt und wollte mich etwas sozialisie­ren“, erzählt die 29-jährige Winta und lacht. Da sie gerne malt, sei sie schnell auf die ArtNight gestoßen. Christiane wollte ihr altes Hobby auffrische­n.

Andere erzählen, dass sie das Malen als Ausgleich zur Arbeit sehen, so ein Abend sei einmal „etwas anderes“und „völlig ungezwunge­n“. Tatsächlic­h hat der Workshop keinen schulische­n Charakter: Zina geht zwar von Tisch zu Tisch und gibt Tipps, tadelt aber nicht. „Es gibt kein Falsch“, lautet ihre Devise.

Wir setzen uns wieder vor die Leinwand. Bewundernd werfe ich einen Blick zu meiner Nachbarin. Ihre Sepia-Palmen wirken richtig echt und das, obwohl sie, so beteuert sie, noch nie wirklich gemalt habe. Ihr Bild wird bald über ihrem Sofa hängen und meins, nunja, steht etwas verloren im Flur. Spaß gemacht hat der Abend trotzdem.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Künstlerin Zina erklärt RP-Autorin Natalie Urbig, wie sie die Palmen am besten auf die Leinwand bringen kann.
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RP-FOTO: UBG Nach drei Stunden ist der Sonnenunte­rgang fertig.

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