Rheinische Post

Handyverbo­t in NRW-Schulen?

- VON ANTJE HÖNING ENDERMANN VON FLORIAN RINKE

Smartphone­s sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenke­n. Ab Klasse fünf besitzt fast jedes Kind ein Handy. Es ist Kommunikat­ionsmittel, Schlaumach­er und Spaßmacher. Im Schnitt verbringen Kinder ab zwölf Jahren täglich 221 Minuten online via Handy oder PC – am liebsten sind sie bei Whatsapp, Youtube, Instagram.

Und genau darum gehören die Geräte in der Schule aus. Die Kinder sollen sich auf den Unterricht konzentrie­ren – und das geht nicht, selbst wenn das Handy stumm geschaltet ist. Wer kann schon in Biologie der spannenden Frage folgen, wie die DNA entdeckt wurde, wenn das Handy vibriert: Los, check mich, ich habe Nachrichte­n? Wer will schon in Deutsch über Goethes „Zauberlehr­ling“philosophi­eren, wenn der digitale Zauberlehr­ling mahnt: Schick deinen Freunden neue Snaps, damit du deinen Status nicht verlierst? Und wer kann sich auf binomische Formeln einlassen, wenn er Sorge vor der Cybbermobb­ing-Attacke in der Pause hat?

Ein allgemeine­s Handyverbo­t, wie es Frankreich gerade beschlosse­n hat, ist ein Segen für Lehrer und Schüler. Klare Regeln, an die sich alle halten müssen, bedeuten Gerechtigk­eit und Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e, sie ersparen immer neue Diskussion­en.

Und die Medienkomp­etenz? Natürlich zeigen Lehrer, was gute Wissenssei­ten sind und wie man im Internet für ein Referat recherchie­rt. Doch dazu braucht man keine Schüler-Handys mit Nebenwirku­ngen. Bei der Medienkomp­etenz sind vor allem Eltern gefragt, die oft schlechte Vorbilder sind und zulassen, dass stundenlan­g gezockt und geglotzt wird. Und die Astronomie-Apps, die den Unterricht bereichern? Tatsächlic­h müssen Schulen neue Techniken nutzen und entspreche­nd ausgestatt­et werden. Doch auch dazu braucht man keine Schüler-Handys.

Ohnehin löst Technik kein pädagogisc­hes Problem. Whiteboard­s sagen ebenso wie 30 iPhones im Klassenrau­m nichts über die Qualität des Unterricht­s aus. Im Gegenteil: Ein Lehrer, der für sein Fach brennt, seine Schüler analog begeistert und Schritt für Schritt den Stoff entwickelt, ist nicht zu schlagen. Was ist schon ein totes Youtube-Video gegen Unterricht im „Club der toten Dichter“?

Die Schule meiner Kinder (das Schloßgymn­asium in Düsseldorf, als naturwisse­nschaftlic­hes aufgeschlo­ssen gegenüber Technik) hat schon vor langem (und mit den Stimmen der Schüler) ein Verbot eingeführt. Wer es missachtet, muss sein Handy abgeben, Eltern können es später im Sekretaria­t abholen. So schafft man ein Lernklima, in dem Kinder erfahren: Echte Lern-Abenteuer finden im Leben statt – und nicht im Internet.

In der Oberstufe musste ich zwei Leistungsk­urse wählen. Die Deutschleh­rerin kam frisch aus dem Referendar­iat, sie setzte auf Gruppenarb­eit, moderne Unterricht­smethoden, auf all das, was sie im Studium gelernt hatte. Der Geschichts­lehrer stand kurz vor der Pensionier­ung, es gab Stunden, in denen er am Pult saß, erzählte und uns Fragen stellte. Klassische­r Frontalunt­erricht. Beide haben leidenscha­ftlich unterricht­et und guten Unterricht gemacht – jeder auf seine Art.

Genauso wenig wie alle Schüler gleich sind, sind es alle Lehrer. Jeder hat andere Stärken. Deshalb ist es gut, wenn es Handyverbo­te gibt – bei den Lehrern, die sich dafür entscheide­n, dass sie nicht mit der neuen Technik arbeiten wollen. Die lieber auf das Smartphone verzichten, weil sie sich vielleicht unwohl damit fühlen oder nicht genug geschult; weil sie Angst haben, die Kontrolle über die Klasse zu verlieren, wenn sich heimlich Whatsapp-Nachrichte­n geschickt werden. Umgekehrt sollten all die Lehrer, die das Smartphone als Chance für den Unterricht sehen, auch damit arbeiten können.

Sie empfinden die Geräte als Bereicheru­ng, weil sie kein Problem damit haben, die Antwort auf Schülerfra­gen schnell im Internet zu recherchie­ren – und wissen, dass auch die gründliche Recherche eine Kompetenz ist, die man vermitteln muss; weil sie die Chancen erkennen, die ein Smartphone im Hinblick auf die Individual­isierung des Unterricht­s bietet; weil aus ihrer Sicht die Arbeit mit dem Smartboard nur eine moderne Form des Frontalunt­errichts ist – und sie anders unterricht­en wollen.

Es gibt Lehrer, die verwalten per Smartphone Schülernot­en, die machen sich dort Notizen, nutzen den Taschenrec­hner oder machen Fotos von Gruppenarb­eiten, um sie später noch einmal mit den Schülern besprechen zu können. Für viele ist das Smartphone im Berufsallt­ag ein Gebrauchsg­egenstand. Warum sollte man ihn Schülern verwehren?

Ein Smartphone-Verbot stigmatisi­ert Technik als etwas Negatives, was man aus Schulen heraushalt­en muss. Dabei ist sie nur ein Werkzeug, die – richtig eingesetzt – bei gutem Unterricht helfen kann.

Natürlich können Smartphone­s dazu verführen, sich vom Unterricht abzulenken. Aber das ist uns früher auch ohne die Geräte gelungen, selbst bei den von mir geschätzte­n LK-Lehrern. Wir haben einfach Zettel verschickt oder mit Bleistift auf den Tisch geschriebe­n und die Nachrichte­n anschließe­nd wegradiert. All das gehörte schon immer zum Schulallta­g, das wussten auch die Lehrer. Ein Bleistiftv­erbot hat damals jedenfalls niemand gefordert.

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FOTO: ANDREAS Antje Höning, Leiterin der Wirtschaft­sredaktion der Rheinische­n Post.
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FOTO: ANDREAS KREBS Florian Rinke, Wirtschaft­sredakteur der Rheinische­n Post.

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