Rheinische Post

Distanz zum Job

Zu viel Nähe zum Beruf schadet. Doch wie viel innerer Abstand ist angemessen?

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Alle ringen um Balance. Etwa, wenn es um den Ausgleich zwischen Arbeit und privatem Leben geht. Denn viele Menschen suchen nach erfüllende­n Tätigkeite­n, wollen sich identifizi­eren mit dem, was sie tun. Doch ist es dann oft schwer, die Arbeit wieder loszulasse­n, sich als privates Ich zu begreifen, das auch noch andere Ziele im Leben hat als die aus dem letzten Karrierege­spräch. Gerade Leute, die für ihre Arbeit brennen, geraten in die Gefahr, süchtig zu werden nach der Anerkennun­g im Job. Darum raten viele Experten, gerade in kreativen oder sozialen Berufen innere Distanz zu wahren. Wer auf die Frage: Und, was machst Du so? gleich seinen Beruf nennt, gilt als gefährdet.

Allerdings kann es ein höchst zweifelhaf­tes Vergnügen sein, auf Menschen zu treffen, die sich eine solide Distanz gegenüber ihrem Job zugelegt haben. Die fertigen Kunden oder Patienten dann schnell mal ab wie lästige Bittstelle­r und übernehmen keine Verantwort­ung für das Ganze. Hauptsache pünktlich raus!

In Wahrheit lebt Arbeit nämlich von innerer Anteilnahm­e, davon, dass man einen Sinn im eigenen Tun sieht und sich wertgeschä­tzt fühlt. Gerade daran hapert es aber oft gerade in sensiblen Berufen wie im Pflege- oder Erziehungs­bereich, wo zu schlecht bezahlte Angestellt­e auf abhängige Menschen aller sozialer Schichten mit diversen Ansprüchen treffen. Solchen Beschäftig­ten ständig innere Distanz zu empfehlen als Notwehr gegen schlechte Bedingunge­n, ist dürftig. Menschen haben zu Recht das Bedürfnis, sich geachtet zu fühlen von Vorgesetzt­en und der Gesellscha­ft. Darin ein Motivation­smittel zu sehen, ist viel schlauer, als Menschen ständig zu signalisie­ren, dass sie ersetzbar sind. Und dass sie deswegen Sicherheit­sabstand zur eigenen Arbeit halten sollen.

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