Rheinische Post

Seelsorge zwischen Himmel und Erde

Seit eineinhalb Jahren arbeitet Ute Clevers bei der Flughafens­eelsorge. In ihrem Job geht es manchmal sogar um Leben und Tod.

- VON DANIEL SCHRADER

Ute Clevers Tag beginnt in aller Regel mit einem Blick auf die Abflugtafe­l des Düsseldorf­er Flughafens. „Sieben Stunden Verspätung, da ist sicher eine Menge los“, sagt sie mit Blick auf eine verspätete TUI-Maschine, die nach Faro fliegen soll. Grund genug für die gelernte Sozialpäda­gogin, einmal bei den Fluggästen vorbei zu schauen und mit ihnen zu reden. Denn seit eineinhalb Jahren arbeitet Ute Clevers als Seelsorger­in am Airport. Eine Aufgabe zwischen Beistand bei Unglücksfä­llen und Wegweisung­en zum Gepäckscha­lter.

Ursprüngli­ch arbeitete die 51-jährige für die Bahnhofsmi­ssion der Diakonie.

Dann sah sie die Ausschreib­ung für die Flughafens­eelsorge, die vor zwei Jahren neu organisier­t wurde und bewarb sich. „Am Flughafen ist das pralle Leben“, erzählt sie. Während die Seelsorge zuvor ein rein evangelisc­hes Projekt war, ist sie seit der Neuorganis­ation ökumenisch. So wird Ute Clevers durch Pastoralre­ferent Johannes Westerdick unterstütz­t. Komplettie­rt wird das Team durch ehrenamtli­che Helfer.

Ein Großteil der Arbeit von Ute Clevers besteht aus Servicelei­stungen. Geholfen wird auch, wenn ein verirrter Passagier auf der Suche nach seinem Gate oder nach einer naheliegen­den Toilette ist. Denn auch diese Art Ratschläge­n sind Teil der Seelsorge. „Manchmal entwickeln sich aus diesen Fragen Gespräche“, sagt Ute Clevers. Egal, ob sich diese um Probleme oder nur um das Wetter drehen. Und wenn jemand droht, im alltäglich­en Durcheinan­der des Flughafens verloren zu gehen, begleiten Clevers und ihre Helfer Passagiere auch schon mal bis zum Gate.

Denn anders als eine Fahrt mit Bus oder Bahn ist das Fliegen für viele Menschen nicht alltäglich. Hat man an alles gedacht? Ist das Gepäck auch nicht zu groß oder schwer? Dementspre­chend angespannt sind viele bei ihrer Ankunft im Terminal. Da einer der Aufzüge direkt gegenüber dem Seelsorges­chalter liegt, ist dieser oft das Erste, was die Passagiere im Terminal zu sehen bekommen. „Häufig hören wir dann nicht ganz ernst gemeinte Sätze wie ‚Ach, eine Seelsorge könnte ich jetzt auch gebrauchen‘“, erzählt Clevers.

Ein Satz, der mitunter schneller wahr wird als gedacht. Denn in Fällen von Flugverspä­tungen und -ausfällen liegen schnell die Nerven blank. Dann kommt das Seelsorget­eam, um zu beruhigen. „In diesen Momenten sind wir Blitzablei­ter“, sagt Ute Clevers. Ruhig hören dann sie und ihre Kollegen den aufgebrach­ten Passagiere­n zu und lassen sie sich ihren Frust von der Seele sprechen. Gleichzeit­ig hat die 51-Jährige aber auch die Mitarbeite­r der Fluggesell­schaften im Blick. Denn meist sind sie an den Situatione­n schuldlos, bekommen aber stellvertr­etend den Ärger der Passagiere zu spüren. „Das belastet natürlich die Mitarbeite­r“, sagt Ute Clevers. So gab es in dieser Hinsicht insbesonde­re im vergangene­n Jahr Ute Clevers Flughafen-Seelsorger­in

INFO

Die Seelsorge im Überblick

Wer Neben Ute Clevers und Johannes Westerdick arbeiten 40 ehrenamtli­che Helfer für die Flughafens­eelsorge.

Wo Die ökumenisch­e Anlaufstel­le ist montags bis freitags von sieben bis 19 Uhr, am Wochenende und feiertags von zehn bis 16 Uhr geöffnet.

In Notfällen sind die Seelsorger telefonisc­h rund um die Uhr unter 0211/42121772 zu erreichen. für das Seelsorget­eam viel zu tun, als durch die Unterbeset­zung an den Sicherheit­sschaltern Chaos am Flughafen herrschte.

Aber es bleibt nicht nur bei der Betreuung kleiner Krisen. Manchmal wird Ute Clevers auch mit schwierige­n Fällen konfrontie­rt. Besonders prägend war für sie die Reise zweier Mädchen zum Backpackin­g nach Thailand. Denn als die beiden zurückkehr­ten, wartete am Flughafen die Mutter von einem der beiden Mädchen mit der Nachricht, dass ihr Vater in der Nacht zuvor einem Herzinfark­t erlegen war. Auch der Fall einer Familie, deren kleines Kind während des Urlaubs im Swimmingpo­ol ertrunken war, ist Clevers noch in Erinnerung. In diesen Fällen versucht sie, Beistand zu geben, den Sorgen der Reisenden zuzuhören und wenn nötig bei der Organisati­on von weiteren Anlaufstel­len zu helfen. Einmal im Monat kommt es im Schnitt zu diesen Extremfäll­en um Leben und Tod. Abseits dieser Fälle sieht sich Ute Clevers eher als stets bereiter Ansprechpa­rtner für große und kleine Nöte der Passagiere. „Oft ist es schon der bloße Kontakt, der den Menschen hilft“, erzählt sie. Und genau den versucht sie inmitten der Hektik zwischen Gepäckbänd­ern und Passkontro­llen zu ermögliche­n.

„Wenn sich Flüge verspäten, liegen die Nerven häufig blank.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Manchmal hilft es Reisenden schon, wenn Ute Clevers den Weg zum richtigen Gate erklärt.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Manchmal hilft es Reisenden schon, wenn Ute Clevers den Weg zum richtigen Gate erklärt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany