ALLES ODER NICHTS
Katrin Schindler will die „Komödie an der Steinstraße” ins 21. Jahrhundert führen. Jetzt droht ein schnelles Aus.
Katrin Schindler will die „Komödie“ins 21. Jahrhundert führen.
Spätestens als der Orkan gekommen war, wusste Katrin Schindler endgültig, dass die Aufgabe schwer werden würde. Sie hatte erst vor wenigen Monaten die „Komödie an der Steinstraße” übernommen, als „Ela” im Mai 2014 über die Stadt fegte. An Theater war erst einmal nicht zu denken. Im Mack-Brunnen vor dem Eingang schwammen große Äste, die Rheinbahn hatte ihren Betrieb eingestellt. Und das, während auf dem Spielplan ein Stück mit üppigen elf Schauspielern stand, das letzte, das ihre Vorgänger hinterlassen hatten. Und dann folgte gleich eine für Deutschland erfolgreiche Fußball-WM, für ein Theater ebenfalls eine Katastrophe. Am Ende war die Kasse leer, die Stadt musste mit einer Finanzspritze helfen.
Seitdem kämpft die 54-Jährige darum, in welcher Rolle man sie in Düsseldorf in Erinnerung behalten wird: Als die strahlende Heldin, die dem Boulevardtheater eine Zukunft gegeben hat. Oder als die Frau, die nach 56 Jahren die Türen der„Komödie” schließen muss. Schindler, die lieber über spritzige Inszenierungen und rauschende Premieren-Partys spricht, muss seit ihrem Antritt immer wieder in der Öffentlichkeit erklären, warum sie Geld braucht. In diesen Tagen spitzen sich die Dinge zu: Eine laut Schindler überraschend hohe Rechnung vom Gericht gefährdet das Insolvenzverfahren, in dem sich das Theater seit 2016 befindet. Wenn sie nicht bis Ende August 83.000 Euro auftreiben kann, gehen die Lichter aus.
Woher aber soll das Geld kommen, ausgerechnet in der Sommerzeit, in der die Theaterkasse nie gut gefüllt ist? Und dann auch noch, als gerade wieder WM war. Zugleich sei die finanzielle Sanierung weit fortgeschritten. Falls der Betrag doch zusammenkommt, will Schindler den Gläubigern endlich den Plan vorlegen, wie das Theater wieder auf eigene Beine gelangen kann. „Es ist jetzt alles oder nichts”, sagt sie.
Wie ernst die Lage ist, zeigte am Freitag auch eine Pressemitteilung des gerichtlichen Sachwalters, des Rechtsanwalts Martin Lambrecht. Er schreibt, „durch die überraschend und fortgesetzt schwachen Monate” stehe die finanzielle Sanierung der Komödie„nun vor dem endgültigen Scheitern”. Er warnt vor einem Loch von 300.000 Euro am Jahresende. „In den letzten Jahren wurden weder Reserven für die traditionell schwachen Sommermonate aufgebaut noch wurden Mittel für notwendige Investitionen erwirtschaftet”, schreibt Lambrecht. Die öffentliche Hand sei gegebenenfalls gefordert, die Komödie zu erhalten. Katrin Schindler kennt das Schreiben, sagt aber, die jüngsten Reaktionen stimmten sie hoffnungsvoll. Schon 22.000 Euro seien mit Hilfe des Freundeskreises an Kleinspenden zusammengekommen, dem Haus verbundene Künstler richten zwei Benefiz-Abende aus. Es laufen Gespräche mit einem potentiellen Investor, die Politik stellt Hilfe in Aussicht. Vor allem aber, sagt sie, kämen die Zuschauer – obwohl eine Rekord-Hitzewelle auch nicht gerade der Traum einer Theaterdirektorin ist. Am Freitag und Samstag seien die 339 Plätze ausverkauft gewesen, auch in der Woche sei die Auslastung gut.
Den Schritt nach Düsseldorf hat Schindler trotz allen Gegenwinds nie bereut, sagt sie. Unter welchem Druck ein Theater steht, hatte sie vorher schon miterleben können. Die Kommunikationswissenschaftlerin, die immer zum Theater, aber nicht auf die Bühne wollte, verantwortete für 20 Jahre das Tourneegeschäft der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin, ihrer Geburtsstadt, in der ihr Mann und ihr erwachsener Sohn leben. Eigentlich hatte sie in Düsseldorf nur den künstlerischen Part übernehmen sollen. Doch seit der Mann fürs Wirtschaftliche sich nach einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurückzog, ist Schindler im Grunde für alles verantwortlich. Das kleine Kellertheater mit den roten Sitzen hat ihrer Ansicht nach lange über seine Verhältnisse gelebt. Schindler hat die Büros verkleinert und mit Lieferanten verhandelt, in diesen Tagen bespricht sie mit ihren Mitarbeitern, wie sich der Zuschauerraum noch ein bisschen kühler machen lässt.
Die 14 Festangestellten konnten alle bleiben. „Darauf bin ich stolz”, sagt Schindler. Sie verlangt aber, dass jeder überall anpackt. Sie selbst kümmert sich um die Kostüme. Dafür hat sie eine Ader: Ihr Vater war Kostüm- und Bühnenbildner. Zugleich muss Katrin Schindler die Frage beantworten, vor der alle Boulevardtheater stehen: Was will das Publikum des 21. Jahrhunderts sehen? Als die Düsseldorfer Komödie im Jahr 1962 eröffnete, gehörten die Theater für die leichte Muse zur Bundesrepublik wie Pelzmäntel, die erste Italien-Reise oder die Angst vor dem Kommunismus. Und heute? Die Komödie am Kurfürstendamm in Berlin musste gerade einem Bauprojekt weichen, im Millowitsch-Theater in Köln ist der letzte Vorhang gefallen. Schindler will das Kunststück angehen, jüngere Besucher zu locken, ohne die treue Kernzielgruppe 65 plus zu verprellen. Im Londoner West End gelinge ,oder auch in Tschechien, wo sie aufgewachsen ist. Der Schlüssel seien die richtigen Stücke, etwa aktuell „Tratsch im Treppenhaus”, eine Komödie übers echte Leben, die toll ankomme. Schindler sagt, sie sieht im Zuschauerraum schon erste Erfolge: Da säßen auch Paare Mit- te dreißig, teilweise noch mit dem Laptop in der Tasche, weil sie direkt von der Arbeit kommen.
Sie will die Komödie in den kommenden Jahren familiärer machen: Statt der Stücke, die um einen aus dem Fernsehen bekannten Star kreisten, will sie auf Ensembles setzen und Darsteller immer wieder verpflichten, damit die Zuschauer einen Wiedererkennungseffekt haben. Das sei auch wichtig für die Schauspieler in der Region, die um Engagements kämpfen müssen.
Vorher aber muss Katrin Schindler wohl noch eine weitere kritische Frage beantworten: Ist es Aufgabe der öffentlichen Hand, ein Boulevard-Theater zu retten? Erste Signale aus dem Rathaus sind positiv. Aber vielen Kulturpolitiker fällt es leichter, die Hand für Hochkultur zu heben als für ein Haus, in dem als nächstes eine Helene-Fischer-Tribute-Show gastiert. Schindler meint, auch Boulevard gehöre zur Vielfalt einer Stadt. Darüber hinaus seien die Komödie und das nicht weit entfernte, ebenso traditionsreiche Theater an der Kö wichtig, weil sie das Büro- und Geschäftsviertel am Abend belebten. „Wenn wir nicht da wären, wäre am Abend keiner mehr da.” Die Theaterchefin hofft, dass Anfang September endlich neue Zeiten beginnen. Im Jahr 2017 hat das Theater laut Schindler sogar ein Plus erwirtschaftet, eine Perspektive sei da. Davon will sie nun die Gläubiger überzeugen - und doch noch die Heldin der Komödie werden.
„Auch BoulevardTheater gehören zur Vielfalt einer Stadt.“Katrin Schindler Komödie