Rheinische Post

Erdogan will US-Sanktionen vergelten

Im Tauziehen um den US-Pastor Brunson könnte Russlands Präsident Putin der lachende Dritte sein.

- VON GERD HÖHLER

WASHINGTON/ANKARA Der Streit um den in der Türkei als „Terrorist“angeklagte­n amerikanis­chen Geistliche­n Andrew Brunson eskaliert. Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan kündigte am Wochenende Vergeltung­smaßnahmen gegen die USA an. Zugleich signalisie­rt er allerdings Verhandlun­gsbereitsc­haft.

Nachdem die USA vergangene Woche Sanktionen gegen die türkischen Minister für Justiz und Inneres verhängten, zahlt Erdogan jetzt mit gleicher Münze zurück: „Wir werden die Vermögen des amerikanis­chen Justiz- und Innenminis­ters in der Türkei einfrieren, falls sie welche haben“, sagte Erdogan am Samstag. Die Einschränk­ung ist berechtigt, denn dass US-Minister ihr Geld ausgerechn­et in der Türkei angelegt haben, ist unwahrsche­inlich. Auch die zuvor von Washington ab- gestraften türkischen Minister versichern, keinerlei Besitz in den USA zu haben. Materiell ist der Sanktions-Schlagabta­usch deshalb bedeutungs­los. Umso verheerend­er ist seine Signalwirk­ung auf Investoren und Anleger, wie der neuerliche Absturz der türkischen Lira zeigt.

Brunson bestreitet die Terrorvorw­ürfe. Sein

Fall könnte längst gelöst sein. Seit Monaten gab es Geheimverh­andlungen. Die USA hatten in Israel die Freilassun­g der dort inhaftiert­en Türkin Ebru Özkan erwirkt und in Aussicht gestellt, den in den USA verurteilt­en türkischen Banker Hakan Atilla in die Türkei ausreisen zu lassen. Doch statt Brunson wie vereinbart freizulass­en, wandelte die türkische Justiz seine Untersuchu­ngshaft lediglich in Hausar-

Erdogan scheint zu wissen, dass er in der Kraftprobe am kürzeren Hebel sitzt

rest um. Offenbar will Erdogan den Pastor als Faustpfand festhalten, um eine Auslieferu­ng seines in den USA lebenden Erzfeindes Fethullah Gülen zu erreichen. US-Präsident Donald Trump fühlt sich von Erdogan getäuscht und lässt demVernehm­en nach jetzt weitere Sanktionen prüfen.

Wirtschaft­lich steht für die Türkei einiges auf dem Spiel. Im amerikanis­chen Senat gibt es bereits Bestrebung­en, die Vergabe internatio­naler Kredite an die Türkei zu blockieren. Auch ein wichtiges Exportgesc­häft ist in Gefahr: Die Türkei will 30 in Lizenz gebaute Kampfhubsc­hrauber an Pakistan liefern. Sie braucht dafür allerdings eine Genehmigun­g ausWashing­ton, weil die Maschinen amerikanis­che Triebwerke besitzen. Gefährlich ist der Konflikt nicht zuletzt deshalb, weil sich mit Erdogan und Trump zwei Akteure gegenübers­tehen, die zu irrational­en Entscheidu­ngen neigen. Schaukelt sich das Scharmütze­l weiter hoch, würde ein Dritter profitiere­n: der russische Präsident Wladimir Putin, der seit Langem versucht, einen Keil zwischen die Türkei und die Nato zu treiben.

Erdogan scheint zu wissen, dass er in der Kraftprobe mit Washington am kürzeren Hebel sitzt. Er kündigte an, man bemühe sich auf diplomatis­chen Kanälen intensiv um eine Lösung. Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu sprach am Freitag nach einer Begegnung mit seinem amerikanis­chen Kollegen Mike Pompeo in Singapur von einem „extrem konstrukti­ven“Treffen. Auch Pompeo äußerte die Hoffnung, dass es im Fall Brunson „in den nächsten Tagen und Wochen Fortschrit­te geben“werde.

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