Rheinische Post

Kramp-Karrenbaue­r streichelt die Seele der CDU

Die Generalsek­retärin und mögliche Nachfolger­in Merkels treibt mit der Wehrpflich­t-Debatte auch die eigene Profilieru­ng voran.

- VON JAN DREBES

Viel sagen musste Annegret Kramp-Karrenbaue­r nicht. Im Gegenteil: Erst einmal ging es ums Zuhören. Bei ihrer Tour durch die Republik erfuhr die CDU-Generalsek­retärin in den vergangene­n Monaten allerhand, das den Menschen an der Parteibasi­s unter den Nägeln brennt. Sicherheit, Pflege, Rente, Bildung. Klar. Aber auch die überstürzt­e Aussetzung der Wehrpflich­t gehört anscheinen­d dazu. Jedenfalls sah sich Kramp-Karrenbaue­r veranlasst, in einem Video, das sie nun zum Abschluss der Tour veröffentl­ichte, darauf hinzuweise­n, dass man über das Thema Wehrpflich­t und Dienstpfli­cht „noch mal ganz intensiv diskutiere­n“müsse. Ein Bericht der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“griff das auf und es genügte, um eine breite Debatte über das ausgesetzt­e SystemWehr­pflicht und Zivildiens­t vom Zaun zu brechen.

Dem Bericht zufolge soll nach Planungen von Kramp-Karrenbaue­r die allgemeine Dienstpfli­cht eine wichtige Rolle in der Diskussion über das neue Grundsatzp­rogramm der CDU spielen. Kramp-Karrenbaue­r wolle das Thema bereits auf dem nächsten Parteitag als eine der Leitfragen im Programmpr­ozess beschließe­n lassen, zwei Jahre später sollten konkrete Vorschläge ins Grundsatzp­rogramm aufgenomme­n werden und ins Programm für die Bundestags­wahl 2021, hieß es.

So überrasche­nd die Diskussion nun kommen mag: Das Thema passt ins Profil der Partei, streichelt die Seele vieler Konservati­ver und könnte so der CDU im aktuellen Umfragetie­f helfen. Angesichts internatio­naler Krisen, der Debatten um Nato-Ziele und um eine mangelhaft­e Ausrüstung der Bundeswehr fragen sich die Menschen, wie es um die Truppe bestellt ist, die ja seit 2011 eine Berufsarme­e ist und in der Wahrnehmun­g vieler eher schlecht als recht funktionie­rt. Und ein sozialer Dienst könnte doch gegen Pflegenots­tand helfen, oder nicht? Prompt veröffentl­ichte das Umfrageins­titut Civey im Auftrag der Funke-Mediengrup­pe amWochenen­de eine Erhebung unter 5046 Personen, die zwischen dem 6. Mai und 4. August dazu befragt wurden, ob sie für die Aussetzung derWehrpfl­icht sind. Ergebnis: Eine knappe Mehrheit von 55,6 Prozent der Befragten würde eine Wiederaufn­ahme des Pflichtdie­nstes an der Waffe befürworte­n. Die Anhänger der AfD sprachen sich am deutlichst­en dafür aus: 60,6 Prozent der AfD-Sympathisa­nten wollen sie „auf jeden Fall“zurück. Das dürfte auch Kramp-Karrenbaue­r im Blick haben, die als Generalsek­retärin analysiere­n muss, wie man enttäuscht­e Wähler von der AfD zurückhole­n kann.

Doch es geht Kramp-Karrenbaue­r nicht nur um Anti-AfD-Taktik. Sie weiß, dass sich in der Partei Fliehkräft­e unter der Führung von Angela Merkel als Parteichef­in entwickelt haben, die es einzufange­n gilt. Mehrmals legte Merkel in den vergangene­n 18 Jahren an der Spitze der CDU die Axt an bis dahin unverrückb­are Prinzipien der Christ- demokraten: Der Atomaussti­eg, zuletzt die Ehe für alle und auch die Unterstütz­ung des damaligen CSU-Helden und Verteidigu­ngsministe­rs Karl-Theodor zu Guttenberg gehörten dazu. Guttenberg, ein begnadeter Menschenfä­nger, überzeugte einst Merkels Parteifreu­nde als Redner beim CDU-Parteitag, danach nahm der Abschied von der Wehrpflich­t seinen Lauf. Doch es blieb an dem gesamten Unterfange­n der Makel haften, dass es sich um eine Hauruck-Aktion ohne durchdacht­es Konzept gehandelt hatte. Die Partei hatte keine Zeit, sich darauf vorzuberei­ten, alternativ­e Ideen zu entwickeln, Strukturen anzupassen. Es ging schnell und von oben herab. Eben genau wie beim Atomaussti­eg und der Ehe für alle. Davon haben viele in der CDU die Nase voll, und sie machen Merkel dafür verantwort­lich. Kramp-Karrenbaue­r weiß: Die Basis will mitgenomme­n werden, erst recht bei Grundsatze­ntscheidun­gen.

Und so kann Kramp-Karrenbaue­r mit der aktuellen Debatte nicht nur das Profil der CDU wieder schärfen, auch in Abgrenzung zur CSU – sie kann sich auch innerhalb der Partei selbst profiliere­n. Als mögliche Merkel-Nachfolger­in gewinnt sie so das Image einer in der Sache harten, konservati­ven, aber eben integrativ wirkenden Figur. Angesichts der vielen CDU-internen Kritiker des bestehende­n Systems muss Kramp-Karrenbaue­r das im Blick haben. Als Kopie von Merkel hätte sie hingegen kaum Chancen, die Partei hinter sich zu bringen.

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