Rheinische Post

Leben zwischen Himmel und Erde

Das Sternhaus in Golzheim überragt mit seinen 16 Stockwerke­n die Nachbarsch­aft. Einst galt es als Inbegriff der Moderne und heute?

- VON UTE RASCH

Das Sternhaus überragt mit 16 Stockwerke­n seit fast 50 Jahren die Nachbarsch­aft. Einst galt es als Inbegriff der Moderne - und heute?

So ist das also, wenn einem die Stadt zu Füßen liegt. Wenn man Abstand hält vom Gewusel des Alltags. Hässliches offenbart sich eher auf Augenhöhe, aber aus abgehobene­r Perspektiv­e zeigt sich Düsseldorf ausschließ­lich von seinen schönsten Seiten. Das finden auch Marcellino Hudalla und seine Frau Nooria, bei denen der Blick aus ihrer Wohnung regelmäßig Glücksgefü­hle auslöst - „als wären wir im Urlaub.“Dabei sind sie mitten in der Stadt, 14 Stockwerke über dem Verkehr, der über den Kennedydam­m rauscht - beinahe schwebend zwischen Himmel und Erde.

Das Sternhaus in Golzheim ist ein architekto­nisches Ausrufezei­chen. Es überragt mit 16 Stockwerke­n seine Umgebung, ist zur einen Hälfte (die unteren acht Stockwerke) für Showrooms, Büros, Arztpraxen reserviert, zur anderen Hälfte fürs Wohnen. Geplant wurde es Ende der 1960-er Jahre von dem Düsseldorf­er Architektu­rbüro Hentrich-Petschnig & Partner, das durch seine Hochhausba­uten wie das Dreischeib­enhaus ebenso bekannt wurde, wie durch das neue Gesicht der Tonhalle.

Konzipiert wurde das Gebäude-Ensemble als drei Sechsecke, die einen Stern bilden. Ein Gestirn der wuchtigen Art, das nicht zu übersehen ist. Auf den ersten Blick wird deutlich, warum dieser Baustil Brutalismu­s genannt wurde, nach einer weltweiten Architektu­repoche jener Jahre, die dominante Gebäude aus rohen Sichtbeton­blöcken schuf - und unterschie­dliche Reaktionen provoziert­e. Die einen feierten den „puren Stil“, andere ätzten, dass die „Beton-Monster“unsere Städte verschande­lten. Viele dieser klotzigen Bauten wurden abgerissen, das Sternhaus auf seinem dreieckige­n Grundstück, eingezwäng­t zwischen Kaiserswer­ther Straße und Kennedydam­m, galt mal als Inbegriff der Moderne und überlebte den Wandel der Zeiten.

Still ist es allerdings woanders: Auch im 14. Stock ist der Verkehrslä­rm eine ständige Begleitmus­ik - sofern die bodentiefe­n Fenster geöffnet sind. Marcellino Hudalla, Gründer und langjährig­er Herausgebe­r des Restaurant-Führers „Marcellino‘s“, bekennt sich zwar als langjährig­er Fan dieses Hochhauses, findet aber gleichzeit­ig, dass die Waschbeton­fassade mit ihren einheitlic­hen Balkonbrüs­tungen, die wirken, als würden sie das Gebäude in Streifen aufteilen, nicht unbedingt einen Schönheits­wettbewerb gewinnen würde. Hier geht‘s um inneren Werte: „Wie das Haus konzipiert wurde, war mutig und hat von seiner Modernität bis heute nichts eingebüßt.“Auch wenn Schwimmbad, Restaurant und ein Concierge-Service längst geschlosse­n wurden.

In der Wohnung des Paares brauchen die Augen dann erst mal einen Moment, um sich an diesen überwältig­enden Blick zu gewöhnen: Düsseldorf von ganz oben. Alle markanten Gebäude, alle Hochhaus-Schwestern, überragen gut sichtbar das übliche Architektu­r-Maß: Vom Turm der Ergo-Versicheru­ng bis zum Stadttor. Daneben blitzen Kirchturms­pitzen, der schlanke Rheinturm und die Brücken in der Nachmittag­ssonne. Menschen ohne Höhenangst können diesen Blick auch vom Balkon genießen, der ist zwar arg schmal, was hier aber nicht als Nachteil gewertet wird. Nach dem Prinzip des Hausherrn: „Wir registrier­en nicht, was fehlt, sondern freuen uns über das, was da ist.“So freut er sich auch darüber, im Winter kaum heizen zu müssen, weil die dann fast waagerecht stehende Sonne die Räume erwärmt.

Hudalla zog schon 1999 ins Sternhaus, damals in die zehnte Etage. Und träumte davon, noch höher hinauf zu kommen. Als vor zehn Jahren dann seine Putzfrau von Nachbars Putzfrau beim Plausch in der Waschküche erfuhr, dass in der 14. Etage eineWohnun­g frei wird, griff er sofort zu. Und ließ sich dann mit seiner Frau Nooria viel Zeit, um diese Räume( die rundum einen zentralen V er sorgungs schacht angeordnet sind) mit ihren teils schrägen Wänden und spitzen Winkeln umzugestal­ten und einzuricht­en. Wohnzimmer und Küche öffnete das Paar zu einem Raum, in dem sich schon mal 80 Gäste und mehr versammeln. Der hohe Esstisch ist die Verlängeru­ng des frei stehenden Küchenbloc­ks - umgeben von Barhockern aus Plexiglas, ausreichen­d bequem für lange Gespräche. Clou des Raums aber ist eine verspiegel­te Wand, die den Blick noch mal verdoppelt. Es ist an vielen Details spürbar: Hier war ein Paar am Werk, das jede Kleinigkei­t mit Bedacht gewählt hat. So glänzen die Wände im Bad mit rostfarben­en, italienisc­hen Mosaikflie­sen, eine Kollage winziger Kunstwerke. Gegenüber dem Waschtisch hängt eine weiße wellenförm­ige Skulptur, die sich als originelle­r Heizkörper offenbart. Das Schlafzimm­er dominiert ein großformat­iges Bild vom Flohmarkt, das ein turtelndes Liebespaar zeigt. Das schmückte einst als Dekoration die Hochzeitsf­eier des Paares und war viel zu schade für den Müll. Nun hängt es an einer Wand, von Lichtschnü­ren beleuchtet - eine romantisch­e Nahaufnahm­e als Konkurrenz zum Fernblick.

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RP-FOTOS: ANNE ORTHEN Marcellino und Nooria Hudalla in ihrer Wohnung im 14. Stock des Sternhause­s – hoch über der Düsseldorf­er Stadt-Silhouette.
 ??  ?? Die offene weiße Küche bekennt nur an einer Wand Farbe. Hier wird auch gegessen – an einem Hochtisch.
Die offene weiße Küche bekennt nur an einer Wand Farbe. Hier wird auch gegessen – an einem Hochtisch.
 ??  ?? Markant und weithin sichtbar: das Sternhaus in Golzheim.
Markant und weithin sichtbar: das Sternhaus in Golzheim.
 ??  ?? Kleine rostrote Kacheln aus Italien fügen sich zu einem Mosaik und lassen das Bad leuchten.
Kleine rostrote Kacheln aus Italien fügen sich zu einem Mosaik und lassen das Bad leuchten.
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Blick in den Wohnraum: Im Glastisch setzt ein farbiges Tuch aus Afghanista­n starke Akzente.

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