Rheinische Post

Wir leben alle wieder auf Pump

Die natürliche­n Ressourcen für 2018 sind aufgebrauc­ht. Kaum einen beunruhigt es.

- LOTHAR SCHRÖDER Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Wie peinlich ist es, wenn in einer Gaststätte am Ende das Geld nicht reicht und wir bei den Freunden den Fehlbeitra­g leihen müssen. Größere Summen sind es ja nicht, doch wie unangenehm ist die Situation. Was denken die Menschen an den Nebentisch­en, die Zeuge dafür werden, dass wir auf Pump gegessen und getrunken haben? Entspannte­r ist die Schuldensi­tuation bei größeren Investitio­nen. Für eine Immobilie einen Kredit aufzunehme­n, ist oft ökonomisch sogar klug. Auch dann leben beziehungs­weise wohnen wir auf Pump, doch gibt es dafür elegantere Formulieru­ngen. Wer davon spricht, sein Haus, seine Wohnung, auch sein Auto finanziert zu haben, wird niemals schiefe Blicke kassieren. Je größer und abstrakter das Geliehene ist, desto leichter können wir von uns absehen. Irgendwann scheint es gar nicht mehr unsere Schuld zu sein. Das ist seit ein paar Tagen mit uns und der Erde so: Wir haben seit Anfang August unsere natürliche­n Ressourcen für 2018 weltweit verbraucht. Das, was wir jetzt und bis Jahresende an Energie, Wasser, Rohstoffen nutzen, übersteigt unser ökologisch­es Vermögen. Unsere Nachfrage übersteigt jenes Angebot, das zur Verfügung steht, wenn das Leben auf der Erde eine Zukunft haben soll. Das war zwar schon in den Vorjahren so, doch nie fiel die „Jahresabre­chnung“auf ein so frühes Datum. Die Erdbevölke­rung – und das sind natürlich vor allem wir aus den westlichen Industrien­ationen – lebt auf Pump.

Wie sich das anfühlt? Für viele nicht allzu schlimm. Und weil fast alle so leben, ist die soziale Ächtung kaum existent. Unsere Rechnung wird ja irgendwann bezahlt: von den Menschen in armen Regionen der Welt und unserer nächsten Generation. Es ist auch unser Umgang mit der Schöpfung, der die Glaubenssc­hwäche unserer Zeit dokumentie­rt.

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