Glyphosat-Urteil löst Kursrutsch bei Bayer aus
Nach dem Urteil eines US-Gerichts gegen die Bayer-Tochter Monsanto ist der Kurs des Leverkusener Konzerns auf ein Fünf-Jahres-Tief gefallen. Die Börse reagiert alarmiert, das Unternehmen gibt sich betont gelassen.
LEVERKUSEN (dpa) Das US-Urteil gegen den Saatgutkonzern Monsanto wegen angeblich verschleierter Gefahren beim Pflanzenwirkstoff Glyphosat hat für einen herben Kurseinbruch bei der Bayer-Aktie gesorgt. DerWert sackte am Montag zeitweise um rund 13 Prozent auf 80,43 Euro. Bayer steckt derzeit mitten in der Fusion mit dem Saatgutriesen aus den USA und hatte am 7. Juni den Konzern formell übernommen. Ein US-Gericht hatte am Freitagabend Monsanto zu 289 Millionen US-Dollar (254 Mio. Euro) Schadenersatz an einen Krebspatienten verurteilt, der Glyphosat für sein Leiden verantwortlich macht. Auch in Europa wird seit Jahren über die Zulassung von Glyphosat gestritten.
DÜSSELDORF Schon am ersten Handelstag nach dem Urteil eines US-Gerichts gegen den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto ist an der Börse das passiert, was Skeptiker befürchtet hatten. Die Aktie der Monsanto-Mutter Bayer ist am Montag zwischenzeitlich um mehr als 13 Prozent abgestürzt. Kurz vor Börsenschluss lag das Papier immer noch mehr als zehn Prozent im Minus. Zehn Milliarden Euro hat Bayer zumindest vorübergehend an Börsenwert eingebüßt, und niemand kann derzeit mit Sicherheit voraussagen, wohin die Reise geht, da Monsanto in den Vereinigten Staaten eine große Zahl von Sammelklagen droht.
Hintergrund der Auseinandersetzung: Bayers US-Tochter muss umgerechnet 250 Millionen Dollar Schmerzensgeld an den amerikanischen Krebspatienten Dewayne Johnson (46) zahlen, der seine Erkrankung auf den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup von Monsanto zurückführt. Gegen das erstinstanzliche Urteil eines Geschworenengerichts in San Francisco will der US-Konzern in Berufung gehen. Das Unternehmen bestreitet, dass der Lymphdrüsenkrebs bei Johnson durch Roundup ausgelöst worden ist. Dagegen sind laut Johnsons Anwalt erstmals Firmenunterlagen vor Gericht gewesen, die angeblich beweisen, dass Monsanto seit Jahrzehnten von der Krebsgefahr durch Glyphosat wusste.
Aussage gegen Aussage. Die Börse hat dies extrem beunruhigt. Zumal neben den Prozessgefahren auch Umsatzverluste bei Monsanto
drohen, wenn Kunden abspringen würden. Aber ist der Kursabsturz in diesem Ausmaß sachlich gerechtfertigt? „Die Börse neigt zu Übertreibungen“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Das Urteil sei ja in erster Instanz ergangen, der weitere Ausgang desVerfahrens noch völlig offen. „Und an der grundsätzlichen Situation hat sich nichts geändert. Das heißt: Jeder Aktionär, der nach dem Monsanto-Deal an Bord geblieben ist, hat auch jetzt keinen Grund, abzuspringen“, so Kurz. Bayer, so heißt es aus Unternehmenskreisen, habe versicherungstechnisch gut vorgesorgt. Ein Konsortium würde bei Schadenfällen drei Milliarden Euro zah- len, ehe Bayer nach der Integration von Monsanto einspringen müsste. Konsequenz: Zunächst einmal keine Gefahr für den Bayer-Gewinn und die Aktionäre. Dagegen müssten bei Monsanto schon Rückstellungen für die Prozessrisiken gebildet worden sein.
Bei Bayer geben sich die Verantwortlichen noch gelassen. Schon am Wochenende hatte der Konzern erklärt, nach seiner Auffassung stehe das Urteil der Jury „im Widerspruch zu bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen und den Einschätzungen von Regulierungsbehörden weltweit“. Gestern teilte Bayer mit, man sei davon überzeugt, dass die Gerichte im weiteren Verfahrensverlauf zu dem Ergebnis kommen würden, dass Monsanto und Glyphosat für die Erkrankung von Johnson nicht verantwortlich seien. „Das Jury-Urteil ist nur der erste Schritt in diesem spezifischen Verfahren“, hieß es.
In der Europäischen Union darf Glyphosat übrigens noch bis 2022 verwendet werden. Im November des vergangenen Jahres ist die Genehmigung für fünf Jahre verlängert worden. In Deutschland will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) den Gebrauch von Glyphosat aber zeitlich noch weiter einschränken. Nach Ansicht des Umweltministeriums in Berlin sollte das Herbizid schon ab 2021 nicht mehr verwendet werden.