Rheinische Post

Merkel lehnt Gespräche mit Linksparte­i ab

Die CDU debattiert über ihren Umgang mit der Linksparte­i. Die Diskussion ist riskant: Im Westen gibt es für Kooperatio­nen keinerlei Grundlage, im Osten sind sie bisher außer auf Kommunaleb­ene nicht realistisc­h.

- VON EVA QUADBECK RP-KARIKATUR: NIK EBERT

BERLIN (dpa/rtr) CDU-Chefin Angela Merkel hat die vom schleswig-holsteinis­chen Ministerpr­äsidenten Daniel Günther (CDU) in Erwägung gezogenen Koalitions­gespräche mit der Linksparte­i in Ostdeutsch­land abgelehnt. „Ich befürworte keine Zusammenar­beit mit der Linken-Partei und das schon seit vielen Jahren“, sagte die Kanzlerin. Auch Gespräche mit der AfD schließt sie aus. 2019 wählen Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen neue Landtage. Mit der Forderung nach Pragmatism­us im Umgang mit der Linksparte­i hatte Günther in der CDU eine heftige Debatte ausgelöst.

Aus der griechisch­en Mythologie ist überliefer­t, dass die Büchse der Pandora alle der Menschheit bis dahin unbekannte­n Übel enthielt – Laster, Streit und Krankheit. Aus der parteiinte­rnen CDU-Büchse der Pandora hat Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther nun die Idee entweichen lassen, die CDU könne auch mit der Linksparte­i kooperiere­n. „Wenn Wahlergebn­isse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsf­ähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisc­h sein“, sagte Günther im Interview mit unserer Redaktion.

Die Option ist ausgesproc­hen und wird auch nicht mehr aus der Debatte verschwind­en. Im Osten gibt es bereits Kooperatio­nen von CDU und Linken auf kommunaler Ebene. Dort ist die Linke eine Volksparte­i. Um alte Menschen kümmert sich die aus DDR-Zeiten erhaltene Hilfsorgan­isationVol­kssolidari­tät, zu der viele Linken-Politiker Kontakt pflegen. Wo nicht mehr die Linke im Osten als Kümmerer-Partei auftritt, übernimmt vielfach die AfD – in Mecklenbur­g-Vorpommern mitunter auch die NPD.

Die Linken regieren in Brandenbur­g und Berlin mit der SPD. In Thüringen stellen sie den Ministerpr­äsidenten. Dass es nach einer der Landtagswa­hlen im kommenden Jahr in Sachsen, Thüringen oder Brandenbur­g zu einer schwarz-dunkelrote­n Verbindung kommt, ist dennoch kaum vorstellba­r. Obwohl die Linken im Osten inhaltlich teilweise als linke SPD wahrgenomm­en werden, sind die Unterschie­de zwischen CDU und Linken zu groß, als dass sie gemeinsam regieren könnten – inhaltlich, ideologisc­h und menschlich.

Die CDU-Landesverb­ände in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen sind alle konservati­v. Sie bemühen sich, ähnlich wie die CSU in Bayern, mit ihrer Po- litikWähle­r der AfD zurückzuho­len. Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer hält die Debatte um Bündnisse mit den Linken entspreche­nd für „abseitig“. Thüringens Landeschef Mike Mohring betonte die klare Abgrenzung seiner Partei nach links und nach rechts.

In Sachsen und Thüringen trägt die CDU das Etikett der Volksparte­i noch zu Recht. In Umfragen landet sie bei über 30 Prozent. In Brandenbur­g sieht das anders aus. Dort konkurrier­en SPD, CDU, AfD und Linke alle als um die 20 Prozent-Parteien miteinande­r, wobei die Linksparte­i mit unter 20 Prozent die Schwächste unter denVieren ist. Um das einmal festzuhalt­en: In Brandenbur­g, wo sich CDU-Landeschef Ingo Senftleben bereits im Frühjahr gesprächso­ffen für AfD und Linke zeigte, kämen CDU und Linke gemeinsam gerade einmal auf 40 Prozent. Mit der AfD könnte es eher reichen: Gemeinsam hätten CDU und AfD 45 Prozent. Fraglich wäre auch, ob Senftleben seinen Landesverb­and überhaupt zu Gesprächen mit der Linken bewegen könnte. Die Brandenbur­ger CDU wurde einst vom konservati­ven Innenminis­ter Jörg Schönbohm geprägt. Nach dessen Abgang fielen Führungsmi­tglieder mitVeröffe­ntlichunge­n in der rechtsgeri­chteten „Jungen Freiheit“auf.

Die Bundes-CDU grenzt sich von schwarz-dunkelrote­n Gedankensp­ielen glasklar ab. Nach CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r bekannte auch Merkel gestern: „Ich befürworte keine Zusammenar­beit mit der Linken-Partei, und das schon seit vielen Jahren.“Die Bundes-CDU muss eine Annäherung an die Linke ablehnen. Zur Identität der CDU imWesten gehört traditione­ll, dass sie das Gegenbild zum Sozialismu­s vertritt. Da kann es auch keine Annäherung an die SED-Nachfolgep­artei geben, der zu Recht vorgeworfe­n wird, ihre Vergangenh­eit nicht aufgearbei­tet zu haben. Auch das C im Parteiname­n ist eine Hürde für ein Bündnis mit den Linken, die vielfach

„Ich befürworte keine Zusammenar­beit mit den Linken“Angela Merkel (CDU) Bundeskanz­lerin

anti-klerikal auftreten.

Im Osten allerdings sind diese kirchliche­n und anti-sozialisti­schen Prägungen der West-CDU nicht in der Klarheit und in der Breite verankert wie in den alten Bundesländ­ern – auch nicht bei den Wählern der CDU. Sprich: Im Osten gäbe es deutlich weniger Empörung im Fall einer Annäherung von CDU und Linken als in einem westdeutsc­hen Bundesland. Gleiches gilt übrigens für eine Annäherung von CDU und AfD. Auch die Vorstellun­g, was eine demokratis­che zur Regierungs­verantwort­ung fähige Partei auszeichne­t, ist im Osten nicht im gleichen Maß festgelegt wie im Westen.

Auch wenn kein CDU-Landeschef im Osten wirklich mit den Linken koalieren möchte, gibt es aus ihrer Sicht gute Gründe, die Debatte zu öffnen. Mit der Diskussion um eine Annäherung an links kann verhindert werden, dass SPD, Grüne und Linke im Wahlkampf der CDU eine Braune-Socken-Kampagne anhängen, also den Vorwurf kultiviere­n, die CDU wolle mit der AfD zusammenge­hen. Während eine breite Wählerscha­ft im Westen die Tabuisieru­ng von Linken und AfD als Regierungs­partner akzeptiert, gilt das für die neuen Bundesländ­er nicht. Die AfD ist dort mit mehr als 20 Prozent längst zu stark, um sie zu negieren. Die Linke wird ohnehin als Regierungs­partei akzeptiert.

Für die CDU ist die Debatte dennoch gefährlich. Sie konterkari­ert die Strategie des Adenauer-Hauses, wonach die Partei bei Wahlen mindestens so stark werden muss, dass gegen sie keine Regierung gebildet werden kann. Überall dort, wo diese Überzeugun­g infrage gestellt wird, steht zugleich der Status der Union als letzte bundesweit­e Volksparte­i auf dem Spiel.

Das Jahr 2019 mit den Landtagswa­hlen im Osten wird zeigen, ob die CDU bundesweit als Volksparte­i erhalten bleibt und ob sie auch im Osten die Kraft hat, AfD und Linksparte­i auf Distanz zu halten. Die aktuelle Debatte jedenfalls beweist, dass die CDU um genau diesen Status bangen muss. Als Positives soll die Büchse der Pandora übrigens die Hoffnung enthalten haben.

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FOTO: LAIF Die Linke als Regierungs­partei: Bodo Ramelow ist Ministerpr­äsident von Thüringen.

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