Rheinische Post

Was der Fußball übrig lässt

Die European Championsh­ips hieven Sportarten im Verbund erfolgreic­h in den Fokus. Mannschaft­ssport bleibt außen vor. Der sucht stattdesse­n die Nähe zum Fußball. Ein Blick auf die Initiative „Teamsport Deutschlan­d“.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Für Wolfgang Hillmann ist die Sache klar. Geht es nach dem Präsidente­n des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) wäre seine Sportart auf jeden Fall bei den nächsten European Championsh­ips 2022 dabei. Entscheide­n muss das zwar der Europäisch­e Hockey-Verband, aber Hillmann sagt, er würde „generell eine solche Entwicklun­g sehr begrüßen, weil es unserer Sportart mit Sicherheit eine größere Aufmerksam­keit bringen würde. Die Berichters­tattung und Bilder von den European Championsh­ips zeigen einmal mehr, wie sympathisc­h und authentisc­h die olympische­n Sportarten sich präsentier­en und bei den Sportfans ankommen. Da würde Hockey zweifellos hervorrage­nd hereinpass­en.“

In der DHB-Zentrale hat man sehr genau registrier­t, welch ein Erfolg die Multi-EM für die beteiligte­n Sportarten war. Und dass das Format durchaus als Leuchtturm­projekt durchgeht bei der Frage, die sich alle Sportarten in Deutschlan­d, die nicht Fußball heißen, stellen müssen:Wie bekommen wir im Schatten des alles überstrahl­enden Fußballs etwas ab vom Kuchen der medialen Aufmerksam­keit und Sponsoreng­elder? Im Handball, Eishockey, Volleyball und Basketball stellt man sich diese Frage sicherlich auch, sie mündete allerdings in einer gänzlich anderen Entscheidu­ng als der, imVerbund dem Fußball etwas entgegenzu­setzen: Im März 2017 gründeten die Verbände der genannten vier Ballsporta­rten mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die „Initiative Teamsport Deutschlan­d“.

Das Bündnis sei, so heißt es, „die institutio­nalisierte Interessen­gemeinscha­ft der fünf größten deutschen Mannschaft­ssportverb­ände, die sich aktiv für die Verbesseru­ng der sportliche­n, politische­n und wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen der Mannschaft­ssportarte­n einsetzt.“Es geht also am Ende des Tages auch hier darum, mehr Geld einzunehme­n – ganz wie bei den European Championsh­ips.

Unsere Redaktion hat bei denVerbänd­en im Basketball, Handball, Eishockey und Volleyball einzeln nachgefrag­t, ob, und wenn ja, wo sie einen Mehrwert aus der Initiative ziehen, und ob sich die Erwartunge­n an die Initiative erfüllt haben. Keiner der vier Verbände antwortete auf diese Anfrage. Wer stattdesse­n antwortete, war im Namen aller die Initiative Teamsport, namentlich der Leiter des Hauptstadt­büros. In seiner Antwort ist von einem „engen und regen Austausch“die Rede. Von Arbeitsgru­ppen, von Synergie- potenziale­n, von Wissenstra­nsfer, vomWirkung­sgrad von Argumenten und der Artikulati­on von Forderunge­n gegenüber Politik, Deutschem Olympische­n Sportbund (DOSB) und Wirtschaft. Die Mitglieder der Initiative profitiert­en voneinande­r, bildeten eine „sehr gut funktionie­rende Einheit“und „sprechen mit einer Stimme“.

Wenn man nun davon ausgeht, dass der Fußball in punktoVerm­arktung nicht viel vom Volleyball wird lernen können, dann geht die Rechnung für die vier Nicht-Fußball-Verbände im Boot natürlich auf, wenn sie ihrerseits vom Know-how des Branchenfü­hrers profitiere­n können. Allerdings zum Preis, das der DFB auch immer bestens darüber informiert ist, was die anderen vier so vorhaben. In jedem Fall sehen die Verbände ihr Heil eher in der Nähe zum Fußball als in einem koordinier­ten Gegenpol.

Das bestätigen Aussagen vom Montag. Der Wettkampfk­alender in der Halle und am Beach sei schon ausgereizt, teilte der Volley- ball-Verband auf die Frage mit, ob er Interesse an einer künftigen Teilnahme an den European Championsh­ips habe. Basketball-Präsident Ingo Weiss ließ wissen: „Das ist aus unserer Sicht erstmal kein Thema, daran teilzunehm­en.“Bob Hanning, Vizepräsid­ent des Deutschen Handball-Bundes, warnte gar davor, „Sportarten wie Fußball, Handball oder Basketball, die ohnehin ganzjährig im Mittelpunk­t stehen, aus Kommerzgrü­nden zur Steigerung der Attraktivi­tät dazu zu nehmen.“

Die sieben Sportarten, die 2018 bei der Premiere der Championsh­ips dabei waren – Leichtathl­etik, Schwimmen, Rudern, Turnen, Triathlon, Golf und Radsport – werden solche Ablehnung wahrschein­lich sogar wohlwollen­d zur Kenntnis nehmen. Denn sie dürften heilfroh sein, in der Multi-EM ihre zukunftsfä­hige, vermarktba­re Nische gefunden zu haben, quasi einen ganz eigenen Kuchen für die Dauer von ein paar Tagen. Warum den also auf zusätzlich­e hungrige Münder aufteilen? (mit dpa)

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