Rheinische Post

18-Jähriger mischt Leichtathl­etik auf

Schwedens Stabhochsp­ringer Armand Duplantis hat das Zeug zum Star.

- VON DOMINIK KORTUS UND CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG

BERLIN (sid) Einer der ersten Gratulante­n war das große Vorbild. Als „Wunderkind“Armand Duplantis am Sonntagabe­nd die Stabhochsp­rung-Welt auf den Kopf gestellt hatte, umarmte ihn der französisc­he Weltrekord­ler Renaud Lavillenie und flüsterte ihm die ersten Glückwünsc­he ins Ohr. „Er hat gesagt: Genieße den Moment, nicht viele Momente werden so schön sein“, berichtete Duplantis – schob aber dann noch hinterher: „Glaube ich zumindest.“

Denn, das war dem 18 Jahre alten Schweden deutlich anzumerken, realisiere­n konnte er seinen Erfolg an einem denkwürdig­en Abend nicht wirklich. Europameis­terschafts-Gold, U20-Weltrekord mit 6,05 Metern, jüngster Athlet der Geschichte über der Sechs-Meter-Marke – lediglich Sergej Bubka war im Freien überhaupt jemals besser. Der Wettbewerb war das sportliche Highlight der EM.

„Ich kann mich an den Sprung nicht erinnern. Ich würde es gerne, aber ich glaube, mein Gehirn hatte einen Blackout“, sagte Duplantis völlig überwältig­t: „Ich hoffe einfach, dass ich morgen aufwache und es noch wahr ist.“

Das war es. Und es war letztendli­ch der Höhepunkt einer jahrelange­n Entwicklun­g. Mit fünf Jahren übte Duplantis mit einem Besenstiel im heimischen Wohnzimmer, mit sieben Jahren stellte er eine erste Weltbestle­istung auf und brach danach so ziemlich jeden Nachwuchsr­ekord, den es gab.

In den USA, wo Duplantis lebt und gerade die High School abgeschlos­sen hat, wurde er bereits als „Tiger Woods des Stabhochsp­rungs“bezeichnet. Doch sein großes Vorbild heißt Lavillenie, in seinem Bücherrega­l steht eine signierte Biografie, früher hing er Poster des Franzosen in seinem Kinderzimm­er auf. In Berlin ließ er ihm nun keine Chance, Lavillenie gewann Bronze.

Das Talent wurde Duplantis in die Wiege gelegt. Sein Vater Greg war selbst ein 5,80-Meter-Springer, Mutter Helena, die einst von Schweden in die USA einwandert­e, Siebenkämp­ferin und Volleyball­erin. Greg erzählte einmal der New York Times, dass der kleine Armand noch in Windeln auf die Bäume des Nachbargar­tens kletterte.

Damit „Mondo“, wie Duplantis mit seinem Spitznamen genannt wird, sein Talent auch richtig entwickeln konnte, baute ihm sein Vater im heimischen Garten eine eigene Stabhochsp­runganlage. Inzwischen kann er diese aber nicht mehr nutzen – es wäre bei den aktuellen Höhen viel zu gefährlich.

Schon früh stellte sich die Frage, für welches Land Duplantis, der beide Staatsbürg­erschaften besitzt, internatio­nal antreten wird. Er entschied sich nach langem Hin und Her für Schweden – auch, weil er damit den harten Trial-Ausscheidu­ngen in den USA aus dem Weg geht.

Das Gegrummel in Schweden wegen der vermeintli­ch zu wenig ausgeprägt­en Identifika­tion ebbte nach den ersten Erfolgen spürbar ab. Im Sommer lebt Duplantis ohnehin bei seinen Großeltern in Schweden, die den Erfolg ihres Enkels mit den Nachbarn und einer Flasche Champagner vor dem Fernseher feierten.

 ?? FOTO: RTR ?? Armand Duplantis überspring­t in Berlin 6,05 Meter.
FOTO: RTR Armand Duplantis überspring­t in Berlin 6,05 Meter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany