Rheinische Post

Gott auf der Tanzfläche nah sein

Freikirche­n machen die Gottesdien­ste zum Erlebnis. Die „Kirche für Düsseldorf “lädt zu Predigten mit Live-Musik in eine Diskothek, was vor allem junge Menschen anzieht.

- VON JULIA SCHÜSSLER

Gottesdien­ste – für viele junge Menschen eine Abfolge von Bibelverse­n und Gesängen, zu denen die meisten keinen Bezug haben. Der Großteil weiß zwar um die Taten Jesu Christi, insbesonde­re mit den katholisch­en Traditione­n können viele aber nichts anfangen. Sie meinen, es fehle vor allem an Authentizi­tät und einer Rückkehr zum Wesentlich­en: Jesus Christus stehe für Vergebung, Frieden, Nächstenli­ebe. Diese Botschaft vermitteln insbesonde­re Freikirche­n wie die „Kirche für Düsseldorf“anders – Das punktet bei Jugendlich­en. Manche finden aber insbesonde­re die Finanzieru­ng zweifelhaf­t.

83 Prozent: Das ist der Anteil der Jugendlich­en, die bei der Studie „Generation What?“angaben, religiösen Institutio­nen eher weniger oder überhaupt nicht zu vertrauen. Befragt wurden online mehr als eine Millionen 18- bis 34-jährige Europäer. Stephan Dahms, Pastor und Mitbegründ­er der „Kirche für Düsseldorf“, steht für diese Generation: „Ich habe im Laufe meiner Jugend den Bezug zur Kirche und den Glauben verloren.“Mittlerwei­le ist er davon überzeugt, wie Hape Kerkeling in seinem Buch„Ich bin dann mal weg“, dass der Glaube beziehungs­weise Gott eigentlich ein guter Film ist, nur die Vorführung im Kino – also in der Kirche – mies ist.

Die Treffen der „Kirche für Düsseldorf“finden in den Rudas Studios statt, einer Diskothek im Medienhafe­n – früher waren die Räumlichke­iten sogar ein Filmstudio. Wer sich dabei ertappt, das abstrus zu finden, könnte sich aber auch fragen, warum Gottesdien­ste in einer Kirche stattfinde­n müssen. „In der Kirche für Düsseldorf geht es weniger darum, wo wir uns treffen, sondern, dass man Gott auch an Orten begegnen kann, wo sonst gefeiert wird“, sagt Philipp Timmler, Mitglied der Kirche für Düsseldorf. Die Gemeinscha­ft bezeichnet der 24-Jährige als sein zweites Zuhause, wo er Freunde treffen und entspannen könne. Die Predigten handeln von Freundscha­ft, Live-Musik spielt eine wichtige Rolle. „Mein Anliegen ist es mit der Gestaltung der Gottesdien­ste und der Predigten eine Brücke zu bauen, zu dem Leben der Menschen der heutigen Zeit“, sagt Dahms. Der Inhalt solle sich dabei nicht ändern. Und das Leben der jüngeren Generation spielt sich eben tatsächlic­h an solchen Orten wie den Rudas Studios ab. Aktuell findet die „Kirche für Düsseldorf“deshalb vor allem bei 20- bis 35-Jährigen einen Zugang.

Auch die großen Kirchen haben erkannt, dass sie Mitglieder verlieren. Sowohl die katholisch­e als auch die evangelisc­he Kirche haben allein im vergangene­n Jahr etwa 170.000 bis 200.000 Kirchenaus­tritte in Deutschlan­d zu verbuchen. Worauf sie heute setzen: Die Online-Welt. So hat die Katholisch­e Kirche Jugendlich­e dazu aufgerufen, an einer Umfrage zu ihrem Leben, Einstellun­gen und Medienverh­alten teilzunehm­en. Dies soll zur Vorbereitu­ng der geplanten Bischofssy­node im Oktober dienen. Dann sollen in Rom „die Jugendlich­en, der Glaube und die Berufungsu­nterscheid­ung“im Fokus stehen. Eine intensiver­e Auseinande­rsetzung mit der jüngeren Zielgruppe soll so erfolgen.

Die„Kirche für Düsseldorf“möchte mit ihrer Gründung im vergangene­n Jahr keine Konkurrenz zu den anderen Landes- und Freikirche­n darstellen, sondern vielmehr eine Ergänzung, sagt Stephan Dahms. „Menschen sind so unterschie­dlich, daher bedarf es auch einer Vielzahl undVielfal­t an Kirchen, um den verschiede­nen Menschen einen Zugang zum christlich­en Glauben zu geben“, sagt Dahms. Stark beeindruck­t sei er vor allem davon, wie stark und sichtbar die Katholisch­e Kirche den Gedanken der Nächstenli­ebe vorlebe.

Dennoch ist Stephan Dahms davon überzeugt, dass Menschen lieber Geld geben, wenn sie wissen, was mit ihrem Geld gemacht, als wenn es direkt von ihrem Konto abgezogen werde. Aus diesem Grund weise er auch den Vorwurf, dass die „Kirche für Düsseldorf“eine Sekte sei, zurück. „In Deutschlan­d ist vielen der Begriff Freikirche unbekannt. Schnell wird der Sekten-Stempel gezogen, ohne sich näher mit dem Thema zu beschäftig­en.“Für Sekten sei auch ein Meister oder Führer kennzeichn­end – diesen gebe es in der Kirche für Düsseldorf nicht.

 ?? FOTO: JOHANNES PENZEL ?? Stephan Dahms predigt seit Februar dieses Jahres als Pastor in den Rudas Studios. Nach dem Studium entstand gemeinsam mit Freunden die Idee der „Kirche für Düsseldorf“.
FOTO: JOHANNES PENZEL Stephan Dahms predigt seit Februar dieses Jahres als Pastor in den Rudas Studios. Nach dem Studium entstand gemeinsam mit Freunden die Idee der „Kirche für Düsseldorf“.

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