Rheinische Post

Der grüne Wolf

Der 60-jährige Dietmar Wolf sitzt für die Grünen seit 2008 in der Bezirksver­tretung 3 und seit 2009 im Stadtrat. In seinem Leben hat Wolf einige Tiefpunkte gehabt – irgendwann kam er dann zur Politik.

- VON NICOLE KAMPE

FRIEDRICHS­TADT An manchen Tagen legt Dietmar Wolf 60 Kilometer zurück – mit dem Fahrrad. Nach Ratingen zur Arbeit, wieder zurück nach Unterbilk, wenn er zur Sitzung der Bezirksver­tretung muss, weiter zum Einkaufen und nach Hause in seine Wohnung, die in Friedrichs­tadt liegt. Manchmal, da trägt Dietmar Wolf Radlerhose­n, manchmal sein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Allez les Vertes“(“Los ihr Grünen“), abgeleitet vom Anfeuerung­sruf der französisc­hen Nationalma­nnschaft „Allez les Bleus“, was soviel heißt wie „Los ihr Blauen“.

Dietmar Wolf ist der grüne Wolf. Wenn er anruft, meldet er sich so. Seine Stimme ist tief. Ein eigenes Logo hat Dietmar Wolf sogar, eine lustige Comic-Figur mit riesigen Füßen, die in einer Latzhose steckt. Alles grün natürlich. Dass der 60-Jährige einmal ein Grüner wird, dem das Thema Fahrrad am Herzen liegt, das hat sich erst in den letzten zehn Jahren entwickelt.

Denn Dietmar Wolf hat ganz untypisch grün eine Ente in der Garage stehen. Und eigentlich wollte Dietmar Wolf zur Bahn. Schon als Kind war er verrückt nach Eisenbahne­n. Er hat Lokomotive­n fotografie­rt – von oben und unten, von links und rechts. Selbstvers­tändlich hatte er eine Modelleise­nbahn. Hat er heute noch. Mehrere. Bei der Bewerbung scheiterte er kläglich, „wegen mangelnder­Vorbereitu­ng“, sagt Wolf, den aber niemand von seinem Hobby abbringen konnte. Ein bisschen schmunzeln muss er dann immer, wenn er davon erzählt, weil ihm das Wort „Pufferküss­er“in den Sinn kommt – eine Bezeichnun­g für Menschen, die sich in ihrer Freizeit intensiv mit Eisenbahne­n beschäftig­en.

Eine Ausbildung zum Reiseverke­hrskaufman­n hat Wolf nach der Schule gemacht, so kam er vom Neandertal nach Düsseldorf. Ein schöner Beruf ist das gewesen, bis 2001. „Bis 9/11 hatte ich den letzten guten Arbeitspla­tz“, erinnert sich Wolf, danach begann die Reisekrise. Und ein bisschen später kam noch das Internet dazu,„die Leute haben selbst gebucht“, sagt Wolf, der seine Arbeit verlor und bald Hartz IV bezog. Ein schwierige­s Kapitel in seinem Leben, in ein tiefes Loch ist er gefallen. Wenn er heute darüber spricht, klingt es fast so, als würde er über einen Bekannten reden, der Pech gehabt hat im Leben, der in eine Spirale geraten ist und „seinen Hintern nicht mehr hoch bekommen hat“, wieWolf es ausdrückt. DietmarWol­f ist einer, der Dinge freiheraus sagt.

In dieser Zeit hatte er den ersten Kontakt zur Politik. Ein bisschen ist er da reingeruts­cht, in einer Kneipe hat er Angelika Hüsken und Norbert Czerwinski (beide damals in der Bezirksver­tretung 3) kennengele­rnt. „Das hat mich gerettet“, sagt der 60-Jährige. Die beiden warben ihn an, und das mit der Politik wollte er richtig machen, einen eigenen Wahlkreis haben und Wahlkampf betreiben. So ist er an den Fürstenpla­tz gekommen, seitdem setzt er sich für die Menschen dort ein. Seit 2008 ist er in der Bezirksver­tretung 3. Seit 2009 im Rat, in den er fünf Jahre später als erster direkt gewählter Grüner in Düsseldorf wieder einzog.

Irgendwann in dieser Zeit musste DietmarWol­f als Ein-Euro-Jobber ran – der aktive Mann, der er einmal war, den gab es nicht mehr. „Nach zwei Stunden war ich fix und fertig“, sagt Dietmar Wolf. Bei einem Jugendhilf­e-Träger ist er gelandet, aus dem Ein-Euro-Job ist schließlic­h richtige Arbeit geworden. Für die Aktion Gemeinwese­n und Beratung hat er jungen Menschen beim Übergang von Schule in den Beruf und in schwierige­n Lebenssitu­atio-

nen geholfen. Als das Projekt endete, hatte Wolf gute Kontakte, vor allem durch sein Engagement in der Politik. Seit 2012 arbeitet er für die Grüne Fraktion in Ratingen.

Die Grünen in Düsseldorf hat Dietmar Wolf verändert. Statt die Wirtschaft als Feind zu sehen, hat Wolf immer dafür plädiert, als Partei im Bereich Wirtschaft stärker zu werden – die Friedrichs­traße unterstütz­t Wolf zum Beispiel. Mobilitäts­gerechtigk­eit ist ihm wichtig, auch wenn Wolf seine Leidenscha­ft fürs Fahrradfah­ren spät entdeckt hat. Dafür kämpft er jetzt umso intensiver um anständige Fahrradweg­e, „meine liebe, gute Freundin Anja Vorspel brachte mich zum Radfahren“, sagt Wolf. Sie war es, die Dietmar Wolf zum ADFC-Radflohmar­kt schleppte. Ein einfaches Rad kaufte sich Wolf dort, „du wirst sehen, wie schnell du bist“, hat Vorspel damals gesagt. Und tatsächlic­h, „ich war schnell“, sagt Wolf, der sich an seine erste Fahrt noch erinnert, als wäre sie gestern gewesen, den Rhein rauf und runter, ein Gefühl der Freiheit überkam ihn,„born to be wild“, sang er mit Anja Vorspel.

Vorletztes Jahr hat Wolf sich noch ein Rennrad zugelegt, beim Race am Rhein zur Tour de France wollte er teilnehmen,„ich mit meinem Übergewich­t“, sagt Wolf, der zwei Gegner vor Augen hatte:„Den Besenwagen und mich selbst“. Letzter ist er nicht geworden, bei 27,3 Kilometer pro Stunde lag seine Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit, sagt der grüneWolf stolz, der jetzt eine Radtour durch Frankreich gemacht hat. Durch Bordeaux und durch die Champagne, Champagner hat er getrunken, „auch wenn das sauteuer war“, sagt Wolf, der bescheiden lebt, in einer 36 Quadratmet­er großenWohn­ung, der ein gutes Essen schätzt, auch wenn’s für ihn seit Februar nur noch Schonkost gibt. 16 Kilo sind seitdem runter, unter 100 will er kommen.

Wenn Dietmar Wolf einmal in Rente geht, wird er auch mit der Politik aufhören. Die Welt will er dann sehen, mit seiner Süßen – so nennt Wolf seine Lebensgefä­hrtin Barbara. Einmal ist er verheirate­t gewesen, einen Sohn hat DietmarWol­f, der in der Schweiz lebt. Mit dem Segelboot will der 60-Jährige aufbrechen – erst das IJsselmeer, Ostsee, dann runter zum Mittelmeer. „Und wenn wir da mal sind, können wir vielleicht auch weiter“, sagt Wolf. Einen Segelschei­n hat der grüneWolf schon. Und wenn das alles nichts wird, wünscht er sich ein kleines Gärtchen mit Blick auf eine Eisenbahn.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Dietmar Wolf liebt sein Fahrrad. Sogar beim Race am Rhein hat er teilgenomm­en. Letzter ist er nicht geworden.

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