Rheinische Post

Wie der David Wirecard den Goliath Deutsche Bank an der Börse aussticht.

Der Zahlungsab­wickler ist einer der wenigen Überlebend­en aus der Dotcom-Blase der Jahrtausen­dwende. Im September könnte das Unternehme­n in den Dax aufsteigen – womöglich anstelle der Commerzban­k.

- VON MISCHA EHRHARDT

FRANKFURT Wer aus der Ecke Glücksspie­l und Pornografi­e stammt, muss Einiges tun, um das Vertrauen von Anlegern an der Börse zu gewinnen. Damit hatWirecar­d Erfahrung – und die ist positiv. Denn am Dienstag ist der Zahlungsdi­enstabwick­ler erstmals an der Deutschen Bank vorbeigezo­gen: Börsenwert: 21,0 Milliarden Euro – rund 200 Millionen mehr als die Deutsche Bank zur gleichen Stunde.

Die Idee für das Unternehme­n wurde geboren in einer Zeit, in der fast alles, was auch nur entfernt mit Internet zu tun hatte, reißenden Absatz an den Börsen fand. Der Hype um die Tec-Blase zerplatzte allerdings im Jahr 2000 und machte viele Anleger ärmer.Wirecard, 1999 gegründet und seit 2000 an der Börse, ist eines der wenigen Unternehme­n die überlebt haben. Die Idee: Zahlungen über das Internet abzuwickel­n. Die Idee kam gut an bei On- line-Kollegen, die virtuelle Casinos für Glücksspie­le aufbauten oder Pornografi­e anboten. Auch heute gibt es noch Kunden in diesem Bereich, allerdings ist ihr Anteil mittlerwei­le gering. Wirecard ist heute als Zahlungsab­wickeler etabliert – bei Überweisun­gen, Online-Services, mobilem Bezahlen über Apps auf Smartphone­s. Zwar regeln die Menschen weltweit nach wie vor rund 80 Prozent ihrer Einkäufe und Geschäfte mit Bargeld. Das dürfte sich aber ändern. In Asien ist es bereits jetzt für viele Menschen gängig, mit dem Smartphone zu bezahlen. In Deutschlan­d wird das auch stärker werden.

Die Erwartung treibt den Börsenkurs. Seit Jahresbegi­nn ist der Wert der Aktien von Wirecard um mehr als 80 Prozent geklettert. In dieser Zeit hat der Dax ein paar Prozentpun­kte verloren, die Deutsche Bank ein Drittel ihres Börsenwert­es eingebüßt. In den vergangene­n fünf Jahren hat sich der Wirecard-Kurs sogar verachtfac­ht. Das liegt auch daran, dass Unternehme­nschef Markus Braun in manchen Dingen den richtigen Riecher bewies. 2007 gründete er eine Asien-Tochter, die heute die Hälfte des Konzernges­chäftes beisteuert. 2015 startete Wirecart die Smartphone Bezahllösu­ng „Boon“. Und der Konzern kooperiert – ebenfalls seit 2015 – mit dem chinesisch­en Bezahlgiga­nten Alipay, seit 2017 auch mit dessen größtem Konkurrent­enWeChat. Währenddes­sen beschäftig­ten sich Deutsche Bank und die Commerzban­k überwiegen­d mit ihrerVerga­ngenheit und der Bewältigun­g hausgemach­ter Probleme. Der jüngste Kursverfal­l geht allerdings nicht aufs Konto der Großbanken, sondern auf den Kursverfal­l der türkischen Lira zurück. Durch den Verfall der Währung sorgten sich Anleger zuletzt darum, dass europäisch­e Banken in einen Sog geraten könnten.

Auf jeden Fall ist Wirecard beim Börsenwert an der Deutschen Bank vorbeigezo­gen. Der nächste Coup könnte im September folgen; dann hat Wirecard eine Chance, in den Dax aufzurücke­n. David gegen Goliath in einer Liga: Wirecard setzte 2017 etwa 1,5 Milliarden Euro um, die Deutsche Bank rund 26 Milliarden Euro. Die Bilanzsumm­e des Aschheimer Konzerns ist ein Klacks gegenüber der Deutschen Bank: rund fünf Milliarden gegen 1500 Milliarden. Und die Mitarbeite­rzahl schafft auch scheinbar glasklare Verhältnis­se: Knapp 5000 hat Wirecard, rund 90.000 die Deutsche Bank.

An der Börse allerdings geht es nicht nur um diese Unternehme­nszahlen, sondern eben auch um Erwartunge­n und Aussichten. Da liegt Wirecard in der Gunst von Anlegern offenbar vorn. Das wird möglicherw­eise bald für jeden sichtbar, sollte das Unternehme­n wirklich in den Dax aufsteigen. Einer müsste dann den Platz dort räumen.Es könnte die Commerzban­k sein.

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