Rheinische Post

Erneut 46 Afghanen abgeschobe­n

Regierung und Opposition streiten weiter um die Sicherheit des Landes am Hindukusch.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Abschiebef­lug Nummer 15 geht wieder von München. Das Ziel: Kabul. An Bord waren 46 Afghanen aus mehreren Bundesländ­ern – mit Begleitsch­utz. Status laut deutschen Behörden: ausreisepf­lichtig. 22 der 46 Afghanen waren nach Auskunft aus dem Bundesinne­nministeri­um rechtskräf­tig verurteilt. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) listet Delikte von gefährlich­er Körperverl­etzung, Diebstahl, Drogenmiss­brauch bis hin zur Nötigung auf.

In Brandenbur­g, wo sich drei der jetzt 46 abgeschobe­nen Asylbewerb­er zuletzt aufhielten, löste diese nächste Sammelabsc­hiebung aus Deutschlan­d sofort einen Dissens in der rot-roten Koalition aus. Die mitregiere­nde Linke protestier­te umgehend: Die Einschätzu­ng des jüngsten Lageberich­ts des Auswärti- gen Amts, wonach es in Afghanista­n sichere Regionen gebe, sei politisch falsch. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linken-Bundespart­ei, Ali Al-Dailami, erklärte: „Wer Menschen nach Afghanista­n abschiebt, schickt diese direkt in den Krieg.“

Doch auch wenn die Sicherheit in dem Land am Hindukusch weiter als schwierig gilt, sieht die Bundesregi­erung mittlerwei­le keinen Grund mehr, Abschiebun­gen auszusetze­n oder einzuschrä­nken. In Afghanista­n gebe es auch Gebiete, in denen die Sicherheit­slage „vergleichs­weise stabil“sei. Die meisten Bundesländ­er, in deren Zuständigk­eit Abschiebun­gen fallen, wollen allerdings an den Einschränk­ungen bei Abschiebun­gen wegen der hohen Gefährdung in Afghanista­n festhalten.

Der frühere afghanisch­e Präsident Hamid Karsai sagte in einem Interview, Afghanista­n sei „definitiv kein sicheres Land“. Die radikal-islami- schen Taliban würden mittlerwei­le wieder rund 70 Prozent des Landes kontrollie­ren. Zuletzt war von heftigen Kämpfen in der ostafghani­schen Stadt Ghasni mit bis zu 150 getöteten Zivilisten berichtet worden. Wenige Stunden nach Landung des Abschiebef­lugs aus Deutschlan­d kamen am Mittwoch in Kabul mindestens 25 Menschen bei einem Selbstmord­anschlag ums Leben.

Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums sind bei Sammelabsc­hiebungen in diesem Jahr 200 Afghanen in ihre Heimat abgeschobe­n worden. Künftig sei jeden Monat ein Rückführun­gsflug von Deutschlan­d nach Kabul geplant. Gut 200 weitere Afghanen seien im ersten Halbjahr durch eine geförderte Rückkehr freiwillig zurückgefl­ogen – Geld gegen Ausreise. Insgesamt seien bis Ende Juni 12.000 aus Deutschlan­d abgeschobe­n worden, 9000 von allein ausgereist.

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