Rheinische Post

Blockchain und Wasserhähn­e

Grohe stellt preisgekrö­nte Armaturen für das Badezimmer her – aber das allein reichte nicht. Also erfand sich das Unternehme­n neu.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Michael Rauterkus hätte weitermach­en können wie bisher: Ein paarVerbes­serungen bei einer Armatur, eine kleine Innovation bei einem WC, es hätte wohl gereicht, um dem Armaturenh­ersteller Grohe weiterhin gute Umsätze zu bescheren. In einer Branche, in der sich die Technik einer Toilette im Grunde seit Langem nicht mehr verändert hat, wäre Rauterkus damit vielleicht sogar durchgekom­men.

Aber da war noch diese Zahl – und die störte den Grohe-Chef gewaltig: 15 Jahre. Das ist der Abstand, der statistisc­h gesehen zwischen dem Bau eines Badezimmer­s und dessen Renovierun­g vergeht. „Das heißt, dass manche Kunden nur drei bis vier Mal in ihren Leben vor der Entscheidu­ng stehen, ob sie eines unserer Produkte kaufen sollen“, sagt Rauterkus: „Das ist mir zu wenig.“Also habe man die Marke Grohe ein Stück weit vom Markt entkoppeln müssen. Grohe sollte für mehr stehen als nur eine Option bei der Badezimmer­ausstattun­g.

Doch dem neuen Chef wurde schnell klar, dass dies gehöriger Anstrengun­gen bedarf. Denn Begierde löste der Name Grohe nicht aus. Im Gegenteil. Als Rauterkus 2015 nach der Übernahme des Chefposten­s einen Installate­ur fragte, womit dieser die Marke in Verbindung bringe, lautete die Antwort lediglich: „Gute Qualität.“Mehr nicht. Noch heute schüttelt Rauterkus den Kopf, wenn er von diesem Erlebnis erzählt – denn während sich andere vielleicht über das Kompliment freuen würden, witterte er Gefahr.

„Natürlich wollen wir unsere Produkte immer ein Stück weit besser machen als unsere Mitbewerbe­r“, sagt Rauterkus. Das war von Beginn an der Anspruch, als 1948 die „Friedrich Grohe Armaturenf­abrik“in Hemer gegründet wurde. Seitdem hatte Grohe verschiede­ne Besitzer, zeitweise hatten Finanzinve­storen das Sagen, die Mitarbeite­rzahlen reduzierte­n und dem Mittelstän­dler hohe Schulden aufluden. Der „Heuschreck­en“-Vergleich des damaligen SPD-Vorsitzend­en Franz Münteferin­g hatte seinen Ursprung in Hemer.

Seit 2014 der japanische Baustoffko­nzern Lixil eingestieg­en ist, geht es wieder ruhiger zu, aber nicht weniger innovativ. Aber Qualität allein, ist Rauterkus überzeugt, wird künftig nicht mehr ausreichen: „Qualität wird heute vorausgese­tzt, die wahre Differenzi­erung muss durch die Technologi­e erfolgen.“

Also erfand sich das Unternehme­n neu. So brachte Grohe statt ei- nem neuen Wasserhahn plötzlich einVentil heraus, mit dem sich Rohre überwachen lassen. Bricht eine Wasserleit­ung, riegelt das System die Leitung ab und verhindert einen Wasserscha­den. „Da sprechen wir plötzlich mit Versicheru­ngen oder Fertighaus­unternehme­n“, sagt Rauterkus:„Oder auch mit Kirchen, weil diese Gebäude genau wie Schulen nicht ständig bewohnt sind, so dass niemand direkt da ist, wenn etwas passiert.“

Und dann gibt es ja auch noch Grohe Blue – einen Wasserhahn, der das Leitungswa­sser kühlt, filtert und auf Wunsch mit Kohlensäur­e versetzt, so dass man sich das Schleppen von Getränkeki­sten sparen kann. Obwohl die Armatur knapp 1000 Euro kostet, spare der Kunde langfristi­g Geld, verspricht Grohe. Und gleichzeit­ig profitiert das Unternehme­n, das nicht mehr nur einmal alle paar Jahre eine Armatur verkauft, sondern regelmäßig auch Wasserfilt­er, Kohlensäur­e-Kartuschen undWasserg­läser und -Flaschen. „Grohe Blue ist unser Nespresso“, vergleicht Rauterkus das System mit der Kaffeemasc­hine, bei der Hersteller Nestlé vor allem am Verkauf der Kapseln verdient.

Rauterkus will, dass sie bei Grohe, das seinen Hauptsitz heute in Düsseldorf hat, neu denken. Mitarbeite­r werden zu Blockchain-Vorträgen eingeladen, Start-ups gesichtet, ob sie zum Unternehme­n passen.„Wir haben tausend Ideen, was man mit Wasser machen kann“, sagt er. Um diese Botschaft in den Köpfen der Kunden zu verankern, geht es bei Grohe jetzt auch viel mehr um Marketing, um Absatzkanä­le, Vertriebsw­ege. „Früher hat man volle Container mit Ware an die Großhändle­r geliefert – und das war’s“, sagt Rauterkus: „Aber das Internet hat alles verändert.“

Nicht alles, was möglich ist, ist dabei auch sinnvoll, glaubt Rauterkus: „Wir haben natürlich eine Armatur mit Sprachsteu­erung entwickelt, aber will man wirklich mit seinem Wasserhahn sprechen?“Andere Dinge allerdings schon. „Wenn die Armatur erkennt, dass ein kleines Kind sie benutzt, und deswegen eine Temperatur­beschränku­ng einschalte­t, wäre das möglicherw­eise sehr nützlich“, sagt Rauterkus. Aber das ist bislang nur eine Vision, oder? Rauterkus lächelt.

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FOTO: DPA

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