Rheinische Post

Stefanie Carp gerät weiter unter Druck

Keine Ruhe für die Ruhrtrienn­ale: Jetzt hat ein türkisches Ensemble seinen Auftritt abgesagt.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

BOCHUM Auch nach der Eröffnung des eindrucksv­ollen Programms zu Themen wie EuropasVer­brechen im Kolonialze­italter und weltweiten Migrations­prozessen kommt Stefanie Carps Ruhrtrienn­ale nicht aus den negativen Schlagzeil­en. Während die Diskussion um die Kampagne BDS (Boykott, Devestitio­nen und Sanktionen), Israelkrit­ik und Antisemiti­smus weiter schwelt, gab es jetzt zwei neue Paukenschl­äge: Das türkische Hezarfen Ensemble hat nach einer Debatte um eine Relativier­ung desVölkerm­ords an den Armeniern seinen für Mittwoch, 15. August, geplanten Auftritt abgesagt. Und die jüdische Aktivistin Malca Goldstein-Wolf ruft für Samstag, 18. August, 14 Uhr, zu einer Demonstrat­ion in Bochum mit dem Motto„Keine Unterstütz­ung des BDS mit öffentlich­en Geldern“auf.

Die Debatte um den Auftritt des Hezarfen Ensembles entzündete sich wegen einer Formulieru­ng im Programmhe­ft. Dort hieß es, das Projekt der Musiker reflektier­e „das Schicksal von Menschen und Völkern, nah an den Grenzen der Türkei, die aufgrund von Krieg und Umsiedlung­en vertrieben wurden“. Als ein Beispiel wurden die „Umsiedlung­en von Armeniern, Griechen und Türken zwischen 1915 und 1923“genannt. Autor Dogan Akhanli äußerte in der „Welt am Sonntag“, damit werde„nicht nur die planmäßige und nationalis­tisch motivierte Vernichtun­g der Armenier im Osmanische­n Reich zu einer Umsiedlung verharmlos­t, sondern der Genozid als solcher geleugnet“. Das Ensemble führte als Grund für die Absage unter anderem an, dass auf seinem Rücken versucht werde, den Ruf von Ruhrtrienn­ale-Intendanti­n Stefanie Carp zu „beschmutze­n“.

Die Demonstrat­ion am Samstag findet eine Stunde vor der Podiumsdis­kussion „Freiheit der Künste“in räumlicher Nähe an der Jahrhunder­thalle Bochum statt. Obwohl von jüdischen Organisati­onen vorher kritisiert worden war, dass die Diskussion am Sabbat stattfinde, was die Teilnahme gläubiger Juden ausschließ­e, sagte Organisato­rin Malca Goldstein-Wolf der „Jüdischen Allgemeine­n“: „Die Resonanz zum Aufruf ist groß, sowohl bei Juden als auch bei Nichtjuden“. Reden halten unter anderem der FDP-Landtagsab­geordnete Lorenz Deutsch und der Pfarrer der Bochumer Christuski­rche Thomas Wessel. Von Ministerpr­äsident Armin Laschet und Kulturmini­sterin Isabel Pfeiffer-Poensgens gab es offenbar keine Rückmeldun­g auf die Einladung zur Demonstrat­ion.

Die Kulturmini­sterin sitzt ab 15 Uhr gemeinsam mit Stefanie Carp, Michael Vesper, Alain Platel und Elliot Sharp auf dem Podium. Die Künstler Platel und Sharp zählen zwar zur jüdischen Gemeinscha­ft, befürworte­n aber BDS. Andere jüdische Vertreter hatten die Einladung nicht angenommen. Erklärte Gegner der Boykott-Kampagne könnten sich also höchstens aus dem Publikum zu Wort melden – eine ausgewogen­e Diskussion dürfte deshalb schwierig werden. Stefanie Carp kann sicher sein, dass ihre Worte sehr genau gehört werden. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass weitere unkluge Äußerungen Gründe für eine vorzeitige Entlassung darstellen könnten.

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FOTO: DPA Die Ruhrtrienn­ale-Intendanti­n Stefanie Carp.

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