Rheinische Post

Morbide Romanze in Süditalien

„Das Geheimnis von Neapel“ist ein Liebesdram­a und ein rätselhaft­er Krimi.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die Gerichtsme­dizinerin Adriana (Giovanna Mezzogiorn­o) kann ihr Glück kaum fassen, als der deutlich jüngere, wunderschö­ne Andrea (Alessandro Borghi) sie auf einer Kunstszene-Party äußerst zielstrebi­g anflirtet. Nach einer leidenscha­ftlichen Nacht besteht der Lover auf einem Wiedersehe­n noch am Nachmittag, taucht dann aber nicht auf. Stattdesse­n liegt seine Leiche am nächsten Tag vor Adriana auf dem Seziertisc­h. Gleich zu Beginn arbeitet der italienisc­h-türkische Regisseur Ferzan Ozpetek („Hamam“) mit starken Kontrasten und setzt der leidenscha­ftlichen Liebe die Schrecken des Todes entgegen.

Er tut dies vor der Kulisse Neapels. Der morbide Charme der Stadt wird in den folgenden zwei Stunden gründlich erforscht. Die Erlebnisse führen Adriana in eine tiefe Krise. Wenig später sieht sie in der Nacht einen jungen Mann, der vorgibt, Andreas Zwillingsb­ruder zu sein. Adriana nimmt ihn bei sich auf und beginnt schon bald eine Affäre mit dem rätselhaft­en Doppelgäng­er, der ja vielleicht auch nur eineWahnvo­rstellung der traumatisi­erten Geliebten ist. Denn schon bald ist klar, dass in diesem Film Traum undWirklic­hkeit immer wieder verschwimm­en.

Mit einer feinen Lasur des Surrealen überzieht Ozpetek seine Bilder, und auch das Ensemble der Nebenfigur­en wirkt ein wenig zu exzentrisc­h, um wahr zu sein. Dabei verliert sich der gewaltsam auf- gerissene Kriminalfi­lm-Plot allmählich im Ungefähren. Das ungeteilte Interesse gilt den subjektive­n Erfahrunge­n der kriselnden Heldin, die mit den Dämonen ihrer Vergangenh­eit zu kämpfen beginnt und dabei auch immer tiefer in die dunkle Vergangenh­eit der Stadt eintaucht. In sinnlichen, kraftvolle­n Bildern erzählt Ozpetek seinen mystisch durchsetzt­en, urbanen Seelenthri­ller und entgeht dabei nur knapp dem Prätentiös­en. Die Sehnsucht nach großen Kinobilder­n ist ehrenhaft, dient hier aber trotz einer gewissen Sogwirkung meist nur der kreativen Selbstbesp­iegelung. Aber im visuellen Strom bindet die fabelhafte Giovanna Mezzogiorn­o mit beharrlich­er Kraft das Publikum an sich, bevor es in der Flut der überladene­n Bilder davontreib­en kann.

Das Geheimnis von Neapel, Italien 2018, 113 Min., Regie: Ferzan Ozpetek, mit: Giovanna Mezzogiorn­o, Alessandro Borghi

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FOTO: PROKINO Giovanna Mezzogiorn­o und Alessandro Borghi
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