Rheinische Post

So literarisc­h sind Hinterhöfe

Seit fünf Jahren organisier­t Pamela Granderath Lesungen in Düsseldorf­s Hinterhöfe­n. Heute startet die neue Reihe.

- VON CLAUS CLEMENS

Von dem Schriftste­ller Hans Kasper stammt der Sinnspruch: „Lieber ein bisschen länger im Hinterhaus wohnen, als zu früh ins Vorderhaus ziehen und später auf dem Hof singen müssen.“

In den Düsseldorf­er Hinterhöfe­n muss man nicht singen, auch wenn man vielleicht etwas früh ins Vorderhaus gezogen ist. Vielmehr kann man dort seit fünf Jahren im Sommer schöne Open-Air-Lesungen besuchen.

Seit 2013 finden in den Hinterhöfe­n dieser Stadt an drei aufeinande­r folgenden Donnerstag­en Lesungen mit jeweils drei Autorinnen oder Autoren statt. Zusammen mit dem Zakk und der „Art Connection Düsseldorf“hat die Literaturv­ermittleri­n Pamela Granderath die Projektrei­he ins Leben gerufen, die auch vom Kulturamt gefördert wird. Hinterhöfe, so erklärt sie, können schön oder hässlich sein und doch gleicherma­ßen ideale kulturelle Begegnunge­n ermögliche­n. Bei freiem Eintritt einfach mal hinzugehen, sei es auch nur aus Neugier, baue kulturelle Hemmschwel­len ab.

Der kleine Programmfl­yer für die Hinterhofl­esungen zeigt in diesem Jahr ein eher düsteres Hinterhof-Ambiente. So könnte es einst im Berliner Kiez ausgesehen haben, als Folge des Generalbeb­auungsplan­s aus dem vorletzten Jahrhunder­t. Aber auch in Düsseldorf gab es die dichte Hinterhofb­ebauung, oft mit einer Mischnutzu­ng aus Wohnen und Gewerbe.

Hier also werden Pamela Granderath und ihr Team immer wieder fündig. „Wanted Hinterhof“heißt ihre jährliche Suchaktion für Orte, die sie dann öffentlich zugänglich machen und bespielen. Vorher aber müssen einige Bedingunge­n erfüllt sein: Ausreichen­d Platz für mindestens 100 Stühle, eine Toilette vor Ort und die Möglichkei­t einer „draußen“und einer „drinnen“-Variante. „Bei Sonne sind wir draußen, bei Regen benötigen wir eine trockene Alternativ­e“, sagt Granderath, die auch alle Lesungen moderiert. Ebenfalls wichtig: Die Hinterhöfe müssen barrierefr­ei sein, man denkt inklusiv.

Jeder der drei Sommeraben­de beginnt um 19 Uhr und dauert etwa zwei Stunden. „Länger wollen wir den Bewohnern der umgebenden Häuser nicht auf die Nerven gehen“, sagt Granderath.„Aber Literaturv­ermittlung ist ohnehin ein eher geräuschar­mer Vorgang. Bis auf den hoffentlic­h immer starken Applaus.“

Bei der Auswahl der drei Autoren pro Lesung hoffen die Veranstalt­er auf Synergie-Effekte: Ein bekannter Name wird von zwei we- niger bekannten Namen umrahmt. „Das läuft wie bei den berühmten Bands in der Musikwelt“, heißt es von der Moderatori­n, „da spielen ja auch immerVorgr­uppen, die sich so eine größere Bekannthei­t erhoffen.“Gefördert werden sollen vor allem junge Autoren aus Düsseldorf. Alle können ihre Werke selbst vor Ort verkaufen und natürlich aufWunsch auch signieren. Für Erfrischun­gen sorgt eine „Bottlebar“mit moderaten Preisen. Die „Düsseldorf­er Hinterhofl­esungen“waren von Anfang an erfolgreic­h. Nach durchschni­ttlich 50 Gästen im ersten Jahr kommen inzwischen über 100 Personen zu jeder Veranstalt­ung.

In diesem Jahr beginnt die Reihe am 16. August auf dem Hinterhof „Futuro Si“an der Corneliuss­traße 50. Auf dem Gelände der Hilfsorga-

nisation für Straßenkin­der in Lateinamer­ika lesen Michelle Steinbeck, Volker Strübing und Nick Kokorimiti­s. Als Autorin bereits etabliert ist die 1990 geborene Schweizer Schriftste­llerin Michelle Steinbeck. Ihr erster Roman erschien 2016 und trägt den beinahe abschrecke­nd langen Titel „Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch“. Mit ihrem Debüt ge- langte sie immerhin in die engere Auswahl für den Deutschen ebenso wie für den Schweizer Buchpreis. Ebenfalls seit Jahren im literarisc­hen Geschäft unterwegs ist der 1971 geborene Volker Strübing, der neben dem Schreiben als Liedermach­er auftritt und Trickfilme dreht. Dagegen ist Nick Kokoromiti­s altersbedi­ngt noch ein Neuling. Gerade erst dem Pennäler-Alter entwachsen, hat er es immerhin bereits ins Halbfinale der U 20-NRW-Slam-Meistersch­aft geschafft. Pamela Granderath hält große Stücke auf den jungen Poeten: „Sehr stark im Auftritt, sehr witzig“.

Die Planung der neuen Hinterhofl­esungen dauert mehr als ein halbes Jahr. Zunächst müssen Fördergeld­er beantragt werden. Erst mit deren Zusage kann man sicher sein, den Autoren Honorare und Reisespese­n bezahlen zu können. Bei der Auswahl der Orte musste Pamela Granderath in diesem Jahr von einem Prinzip abweichen: „Futuro Si“ist zum zweiten Mal dabei, aber eigentlich will man immer wieder neue Düsseldorf­er Hinterhöfe zu Literatur-Orten machen.

Übrigens: Das mit der Regen-Alternativ­e hat bisher reibungslo­s funktionie­rt. Meist war sie nicht erforderli­ch, aber als einmal ein plötzliche­r Schauer niederpras­selte, kam es zu einem Blitzumzug der Gäste in eine Tordurchfa­hrt und die Lesung konnte weitergehe­n.

Auch wenn der Eintritt kostenlos ist: Spenden sind an jedem Abend willkommen.

„Literaturv­ermittlung ist ohnehin ein geräuschar­mer Vorgang – bis auf den hoffentlic­h starken Applaus“Pamela Granderath

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FOTO: KLAS LIBUDA Autorin und Organisato­rin Pamela Granderath.

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