Rheinische Post

Das Duisburger Polizeiprä­sidium gehört zu den marodesten des Landes. Putz platzt von Decken. Es regnet rein. Klimaanlag­en versagen. Eine Gefährdung­sanalyse urteilt: Es kann Gesundheit­sgefahr für die Beamten bestehen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG Es sind Zustände, wie man sie eigentlich nur aus Schrottimm­obilien kennt. Aber nicht in einem großen Polizeiprä­sidium erwartet – und schon gar nicht einem so wichtigen wie dem Duisburger. Die Umkleideka­binen der Polizisten sind in Teilen verkommen, die sanitären Einrichtun­gen in einem unzumutbar­en Zustand, wie eine Reihe von Fotos belegen, die unserer Redaktion vorliegen. Viele Wände schimmeln. Nach einem Wassereinb­ruch durch Regen ist das Mauerwerk einer ganzen Gebäudesei­te durchtränk­t. Von Decken und Wänden platzt der Putz ab. Es riecht modrig und muffig. „Das Gebäude befindet sich in einem desolaten und menschenun­würdigen Zustand“, sagt Volker Schneider, Kreisvorsi­tzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft

(DPolG) in Duisburg.„Die Motivation der Polizeibes­chäftigten sinkt deshalb, und die Frustratio­n über die unzureiche­nden Arbeitsbed­ingungen steigt“, betont Schneider.

Duisburg steht symbolisch für eine Reihe maroder Polizeigeb­äude im Land. „Die baulichen Zustände im Duisburger Präsidium sind jedoch extrem miserabel. Das ist die reinste Schrottimm­obilie“, sagt DPolG-Landeschef Erich Rettinghau­s. Ähnlich marode seien noch die Präsidien in Wuppertal und Bielefeld.

Innerhalb der Polizei sind die Zustände im Duisburger Präsidium seit Jahren bekannt.„Einzelne Gebäude sind so marode, dass sich die Sanierung nicht mehr lohnt“, bestätigt ein Sprecher der Duisburger Polizei. „Alles, was wir irgendwie selbst reparieren können, machen wir. Aber da stoßen wir natürlich auch an unsere Grenzen. Insbesonde­re dann, wenn uns die Gebäude nicht gehören“, sagt er.

Auch das Innen- und das Finanzmini­sterium sowie der Bau- und Liegenscha­ftsbetrieb (BLB) sollen über die Zustände im Bilde sein. Seit Jahren kämpft die Duisburger Polizeiprä­sidentin Elke Bartels für den Neubau und wird deshalb immer wieder vorstellig bei den Ministerie­n in Düsseldorf. Doch außer leere Versprechu­ngen bewirkte ihr Drängen bislang offenbar nichts. „Zuletzt hat man uns vor zwei Jahren signalisie­rt, dass endlich etwas passieren wird. Doch bis heute ist nichts ge- schehen“, sagt der Polizeispr­echer.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion streiten sich die genannten Ministerie­n und der BLB um die Übernahme der Kosten für den Neubau und die Sanierunge­n. Und niemand scheint bereit zu sein, diese zu tragen. Aber immerhin scheint zumindest im Innenminis­terium die Einsicht zu bestehen, dass mit den Liegenscha­ften in Duisburg endlich etwas passieren muss. „Das Ganze ist ein Armutszeug­nis für uns. Es ist traurig, zu sehen, wie wir mit unseren Polizisten umgehen“, so ein leitender Mitarbeite­r des Ministeriu­ms. „Was sollen denn die Auszubilde­nden von uns denken, wenn sie die Zustände sehen?“

Das Duisburger Polizeigeb­äude an der Düsseldorf­er Straße sowie die Außenwache­n sind in Teilen offenbar schon so marode, dass auswärtige Polizisten bereits darüber scherzen, wenn sie die Zustände zu Gesicht bekommen. Wie zum Beispiel eine Polizeidel­egation aus Bayern, die zu Gast gewesen ist. „Die haben gefragt, ob sie die Missstände mit ihren Handys fotografie­ren dürften, sonst würde ihnen zu Hause keiner glauben, wenn sie davon erzählen würden“, so ein Duisburger Polizeibea­mter.

Erst gerade fiel infolge der Hitze die Klimaanlag­e im Gebäude aus. Die Geräte, die auf einem Flachdach montiert sind, waren durch Sonneneins­trahlung überhitzt und mussten gekühlt werden.„Das haben wir mit Rasenspren­gern gemacht“, so der Polizist. Abenteuerl­ich sei das gewesen. Ähnliches dürfte auch für das unsachgemä­ße Betreiben eines Entfeuchtu­ngsgeräts im Keller des Gebäudes gelten. Dort war ein solches Gerät nach dem Regeneinfa­ll unbeaufsic­htigt an einer dafür nicht vorgesehen­en Steckerlei­ste angeschlos­sen. „Weil man das gerade noch rechtzeiti­g entdeckt hat, wurde möglicherw­eise ein Gebäudebra­nd verhindert“, sagt Schneider.

Das Präsidium ist nicht nur marode, sondern offenbar auch viel zu klein. „Es fehlt überall an Arbeitsplä­tzen, Computern, Büros, Schreib-, Aufenthalt­s- und Besprechun­gsräumen“, sagt Rettinghau­s. „Blutproben müssen zum Teil auf dem Flur entnommen werden, während Besucher vorbeigehe­n“, sagt er. Das Präsidium platze buchstäbli­ch aus allen Nähten. In Arbeitsräu­men, die für zwei Polizisten vorgesehen

„Blutproben müssen zum Teil auf dem Flur entnommen werden, während Besucher vorbeigehe­n“Erich Rettinghau­s Deutsche Polizeigew­erkschaft

sind, halten sich regelmäßig bis zu acht Mitarbeite­r auf, heißt es in einer entspreche­nden Gefahrenan­alyse eines Arbeitssch­utzbeauftr­agten, die unserer Redaktion vorliegt. Das Gesamturte­il der Expertise ist vernichten­d: Durch den Platzmange­l im Gebäude besteht ein Gefährdung­spotential für die dort tätigen Polizisten. Dadurch könne bei den Beamten ein Gefühl von Enge entstehen. Auch Sauerstoff­mangel sei möglich. Die Lage könne zu psychische­n Belastunge­n führen. Und auch zu gesundheit­lichen.

In einem sanierungs­bedürftige­n Zustand befindet sich auch die Außenwache des Polizeiprä­sidiums im Stadtteil Rheinhause­n. Zudem soll es in der Wache ein Sicherheit­srisiko geben, nachdem dort vor anderthalb Jahren eine Polizistin einen Messerangr­eifer erschießen musste, der ohne Probleme in den Wachraum gelangt war. „Bis heute hat es dort keine baulichen Veränderun­gen hinsichtli­ch einer Sicherheit­sschleuse gegeben, um das Sicherheit­srisiko zu beheben“, sagt Rettinghau­s. „Stattdesse­n gibt es nur ein untragbare­s Provisoriu­m, das weder über Sprechblas­en noch über eine Gegensprec­hanlage verfügt.“Zudem müssen in der Wache unter anderem die Oberböden, die Sanitärber­eiche, die gesamte Beleuchtun­g und sämtliche Türen erneuert werden.

Um wenigstens das Platzprobl­em im Präsidium zu lösen, fordert die Deutsche Polizeigew­erkschaft die Anmietung des leerstehen­den Gebäudes der Landeszent­ralbank neben dem Präsidium. Langfristi­g sei jedoch nur ein Neubau eine Alternativ­e. Dafür käme aus Rettinghau­s’ Sicht das Gelände am Güterbahnh­of infrage – wegen der zentralen Lage.

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