Rheinische Post

NRW will Lehrer umverteile­n

Das Gymnasium ist überlaufen, anderswo bleibt die Hälfte der Stellen unbesetzt.

- VON FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF NRW verstärkt seine Bemühungen, Gymnasiall­ehrer für andere Schulforme­n zu gewinnen. Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) stellte einen Sechs-PunktePlan vor, mit dem der Lehrermang­el bekämpft werden soll. Dazu gehört ein Angebot an Lehrer, deren Lehrbefähi­gung auch für die Oberstufe gilt, für vier Jahre in der Sekundarst­ufe I zu unterricht­en, also etwa an Haupt-, Real-, Sekundar- oder Gesamtschu­len. Danach sollen sie an ein Gymnasium wechseln können.

Gebauer hat dafür nach eigenen Angaben 5000 Lehrer angeschrie­ben. Ein ähnliches Angebot hatte sie 2017 bereits 2400 Lehrern gemacht, die sie für zwei Jahre an einer Grund- schule gewinnen wollte. 153 Lehrer gingen bisher darauf ein.

Während es für das Oberstufen-Lehramt, also für Gymnasien und Gesamtschu­len, in den kommenden zehn Jahren voraussich­tlich 16.000 Absolvente­n zu viel gibt, fehlen an Grundschul­en, in der Sekundarst­ufe I, an Berufskoll­egs und Förderschu­len rund 15.000 Lehrer. Dieses Missverhäl­tnis führt auch dazu, dass das Land 2018 bisher nur knapp zwei Drittel der 9623 offenen Stellen an Schulen besetzen konnte.

„Wir müssen an vielen Stellschra­uben drehen“, sagte Gebauer. Sie sei aber zuversicht­lich, auf diese Weise die Lage „Schritt für Schritt zu verbessern“. Teil des Pakets ist auch, dass Seiteneins­teiger leichter eingesetzt werden kön- nen. So sollen Master-Absolvente­n von Fachhochsc­hulen an Berufskoll­egs aushelfen. Zudem will Gebauer mit finanziell­en Anreizen Pensionäre überzeugen, ihren Ruhestand hinauszusc­hieben. Zur Frage, ob sie etwa Grundschul­lehrer gleich besolden will wie Einsteiger am Gymnasium, also nach der Stufe A 13, sagte Gebauer: „Die Beantwortu­ng dieser Frage wird nicht allein die Lücke schließen.“

„Wir fordern ab sofort gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, sagte Stefan Behlau, Landesvors­itzender des Verbands Bildung und Erziehung. Auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft fordert eine einheitlic­he Besoldung an den verschiede­nen Schulforme­n.

Eins muss manYvonne Gebauer lassen: Die nordrhein-westfälisc­he Schulminis­terin hat beim Kampf gegen den Lehrermang­el, der eigentlich eine Lehrerfals­chverteilu­ng ist, bewiesen, dass Bürokratie und Kreativitä­t kein Widerspruc­h sein müssen. Wer Gebauer Böses will, könnte allerdings sagen: Die Kreativitä­t ist ein Ausweis der Verzweiflu­ng. Die Ministerin selbst hält ihren Sechs-Punkte-Plan für eine Art Treppe: Schritt für Schritt aufwärts. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Ja, es sind nur Notnägel, die Gebauer präsentier­t; die Kritik trifft zu. Aber immerhin ist es eine ganze Handvoll Notnägel.

Dass allein mit Kreativitä­t die riesige Lücke zu schließen ist, die sich in den nächsten Jahren auftut, dürften freilich nur die größten Optimisten glauben. Es braucht dafür noch etwas anderes – ja, richtig: Geld. Die Einzelmaßn­ahmen sind finanziell alle eher kleine Fische. Bisher weicht Gebauer der Frage nach gleicher Besoldung an allen Schulforme­n aus. Es ist, sofern man nicht Finanzmini­ster ist, kein vernünftig­er Grund zu erkennen, an der Ungleichbe­handlung festzuhalt­en. Dazu ist das Thema zu wichtig.

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