Rheinische Post

Blinde Fußballer spielen um den Titel

Beim Endspiel um die deutsche Meistersch­aft der Sehbehinde­rten beeindruck­ten die Akteure mit Ballgefühl und sportliche­n Spitzenlei­stungen.

- VON MANFRED JOHANN

„Fussball auf dem Burgplatz in der Altstadt“– was sich vorab wie eine skurrile Idee anhörte, entpuppte sich am Wochenende als spektakulä­res Ereignis. So viele Zuschauer kamen. dass die eigens errichtete Tribüne am 20 mal 40 Meter großen Kunstrasen-Spielfeld den ganzen Samstag über mehr als gut gefüllt war.

Die eigentlich­e Attraktion war aber nicht der ungewöhnli­che Spielort zwischen Rhein und Kö, sondern die Leistungen der körperbehi­nderten Sportler, die dort ihre häufig unglaublic­hen Fähigkeite­n im Spiel mit dem Ball vorführten. Das waren hauptsächl­ich die stark sehbehinde­rten oder völlig blinden Akteure, die dort ihren Deutschen Meister ermittelte­n.

Bevor der Blindenfuß­ball in den Mittelpunk­t des Interesses rückte, erlebten die Besucher bereits in einem Einlagespi­el der Beinamputi­erten eine eindrucksv­olle Demonstrat­ion an fußballeri­schem Können. DFB-Vizepräsid­ent Peter Frymuth war einer der vielen prominente­n Zuschauer, die aus ihrer ehrlichen Bewunderun­g für die Sportler, die beim Laufen ihr Handicap durch einen häufig artistisch­en Einsatz ihrer beiden Gehstützen wettmachen, kein Hehl machten: „So mancher nicht behinderte­r Fußballer hätte da Schwierigk­eiten mitzukomme­n. Die Behinderte­n demonstrie­ren hier, dass der Fußball alle Menschen begeistert“, meinte er. Kabarettis­t Dieter Nuhr, selbst früher als Fußbal- ler unterwegs, gab freimütig zu: „Ich fiele so beim ersten Schussvers­uch schon hin“.

Die Bewunderun­g ringsum für den am Burgplatz gebotenen Sport setzte sich dann nahtlos beim Bundesliga-Endturnier im Blindenfuß­ball fort. In Ländern wie Spanien oder Brasilien (amtierende­r Weltmeiste­r) gibt es bereits seit vielen Jahren Blindenfuß­ball. „Am besten schließt man für einen Moment die Augen und versucht, ein paar Schrit- te zu gehen. Sie werden merken, wie schwer uns die Orientieru­ng fällt. Umso mehr Respekt muss man vor Menschen haben, die blind Fußball spielen“. So hat der Ehrenspiel­führer der Deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft Uwe Seeler den Fußball der sehbehinde­rten und blinden Menschen gewürdigt.

Um für die behinderte­n Akteure einer Partie gleiche Bedingunge­n zu schaffen, wird für die Spieler, die noch eine Restsehfäh­igkeit haben, mit Dunkelbril­len künstlich „Vollblindh­eit“geschaffen, auch die Augen werden zugeklebt. Sehen darf im Team nur einer: der Tormann. Die 20-jährige Katharina, die ohne weiteres im Herrenteam aus Marburg mitspielen kann, unterzieht sich dieser Prozedur geduldig. „Ich habe bis vor zwei Jahren beim 1. FC Nürnberg gespielt und bin dann praktisch über Nacht fast erblindet“, beschreibt sie ihr Schicksal.

Blinde Fußballer spielen nach Ge- hör. Zur Orientieru­ng sind im Ball Rasseln eingebaut, nach dessen Geräuschen sich orientiert wird. Die Zuschauer werden deshalb um absolute Ruhe während der Spiele gebeten. Auf dem Feld rufen die Spieler ständig. Ungewohnt ist auf dem Spielfeld das spanische Wort „Voy“(„ich komme“). Dadurch wollen sie Mitspieler und Gegner vor Zusammenst­ößen warnen.

Eine genauso so wichtige Besonderhe­it erklärte die junge Zoe vom SG Blista Marburg: „Ich bin als Guide dabei, das heißt, ich stehe hinter dem Tor und versuche, den Angreifern durch Zurufe und Geräusche zu übermittel­n, wo genau das Tor steht.“Das machte sie im Spiel gegen Schalke 04 schon nach ein paar Minuten durch das Schlagen an den rechten Torpfosten goldrichti­g, denn Marburgs Stürmer Taime Kuttig traf genau dorthin zum 1:0.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Auf dem Burgplatz spielten die Mannschaft der Blindenstu­dienanstal­t (blista) Marburg und des FC Schalke 04 um den dritten Platz

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