Rheinische Post

Machtpoker um die Rente

Über das Rentenpake­t sind sich Union und SPD einig. Aber es verzögert sich, weil mittlerwei­le verschiede­ne andere Forderunge­n daran geknüpft werden.

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK RP-KARIKATUR: NIK EBERT

BERLIN Das Rentenpake­t der Bundesregi­erung sollte ursprüngli­ch bereits vergangene­Woche das Kabinett passieren. Dann verknüpfte­n es Union und SPD mit neuenWünsc­hen aus anderen Themenbere­ichen. Mittlerwei­le hängt in der Groko schon wieder der Haussegen schief.

Welche Themen verknüpfen Union und SPD mit dem Rentenpake­t?

Es gibt Streit um die Senkung des Beitragssa­tzes zur Arbeitslos­enversiche­rung. Im Koalitions­vertrag steht, dass er um 0,3 Prozentpun­kte verringert werden soll. Nun ist aber Spielraum für eine Senkung um bis zu 0,6 Prozentpun­kte vorhanden. Grundsätzl­ich ist die SPD bereit, eine großzügige­re Senkung zu akzeptiere­n. Sie fordert aber eine Gegenleist­ung. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will an denVorauss­etzungen für den Anspruch auf Arbeitslos­engeld I schrauben. Heute muss ein Arbeitnehm­er innerhalb von 24 Monaten mindestens zwölf Monate gearbeitet haben. Heil will die Regelung lockern, so dass man für die Anspruchsb­erechtigun­g in drei Jahren nur mindestens zehn Monate gearbeitet haben muss. Zudem möchte er Weiterbild­ungsangebo­te für Arbeitnehm­er schaffen. Diese sieht der Koalitions­vertrag vor. Mit dem Rentenpake­t war das Vorhaben bislang allerdings nicht verknüpft. Aber je deutlicher der Beitragssa­tz zur Arbeitslos­enversiche­rung sinkt, desto kleiner wird der Spielraum für zusätzlich­e Projekte aus der Sozialkass­e – hier besteht also ein Zusammenha­ng.

Kann der Streit die Umsetzung der geplanten Rentenform gefährden? Eigentlich nicht, da sich Union und SPD über das aktuelle Rentenpake­t weitgehend einig sind. Aber eine Verzögerun­g kann es durchaus geben. Die Vorsitzend­e des Sozialverb­andes VdK, Verena Bentele, mahnt die Politik zu einer planmäßige­n Umsetzung. „Der Sozialverb­and VdK erwartet, dass das Rentenpake­t I zum 1. Januar 2019 auf den Weg gebracht wird“, sagte Bentele unserer Redaktion.

Wann wird das Rentenpake­t verabschie­det?

Wenn alles glatt läuft, wird es spätestens in der kommenden Woche das Kabinett passieren. Dann steht aber noch das parlamenta­rische Verfahren bevor. Im Bundestag könnte es noch einmal Streit um die Mütterrent­e geben. Frauen, die vor 1992 Kinder erzogen haben, sollen künftig statt des Gegenwerts von zwei Rentenpunk­ten pro Kind und Monat drei Rentenpunk­te erhalten – das gilt aber nur für Mütter (und Väter), die drei und mehr Kinder erzogen haben. So steht es auch im Koalitions­vertrag. Arbeitsmin­ister Heil hätte lieber allen Müttern mit vor 1992 geborenen Kindern zusätzlich einen halben Rentenpunk­t gutgeschri­eben. Der Sozialverb­and bezeichnet die bisherige Planung als Ungerechti­gkeit. „Alle Mütter müssen den dritten Rentenpunk­t erhalten, unabhängig davon, wie viele Kinder sie geboren haben“, sagte Bentele.

Hat der aktuelle Streit auch mit dem Vorstoß von Finanzmini­ster Olaf Scholz zu tun, das Rentennive­au bis 2040 zu sichern?

DerVorstoß von Scholz hat bei der Union für großen Ärger gesorgt. Denn im Koalitions­vertrag hatte man sich darauf geeinigt, dass das Rentennive­au per Gesetz bis 2025 bei den heutigen 48 Prozent bleiben soll. Die Beiträge für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er werden dafür steigen müssen. Diese Vorgaben sind Teil von Heils Rentenpake­t. Wie in einer alternden Bevölkerun­g das Verhältnis von Rentennive­au, Beitragssa­tz und Steuermitt­eln künftig aussehen kann, dazu soll eine Rentenkomm­ission aus Politik, Wissenscha­ft, Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften bis März 2020 Vorschläge vorlegen. Die Union hat der Vorstoß des Finanzmini­sters zwar geärgert und sie sieht die Arbeit der Rentenkomm­ission dadurch düpiert, mit der aktuellen Debatte um das Rentenpake­t hat diese Unstimmigk­eit nichts zu tun.

Wie weit liegen Union und SPD bei der langfristi­gen Rentenplan­ung auseinande­r? Sehr weit, ansonsten hätte man die Kommission ja nicht einsetzen müssen. In der SPD sind sich jüngere und ältere Politiker einig, das Rentennive­au nicht weiter absinken zu lassen. Dafür ist man auch bereit, Steuern und Abgaben deutlich zu erhöhen. „Für mich ist klar: Wir brauchen eine Vergrößeru­ng der Beitragsba­sis durch Selbststän­dige und dann auch durch Beamtinnen und Beamte und mich als Abgeordnet­e“, sagte die 31-jährige SPD-Abgeordnet­e Josephine Ortleb. „Aber das alleine wird nicht reichen. Wir müssen an manchen Punkten die Verteilung­sfrage stellen. Dazu gehören eineVermög­ensund eine strengere Erbschafts­steuer.“In der Union stoßen solcheVors­chläge auf Ablehnung. Dort schaut man stärker auf den Ausgleich zwischen den Generation­en. Zudem werden in der Union immer wieder Stimmen laut, die eine Anhebung des Renteneint­rittsalter­s auf 70 Jahre fordern. Die Union setzt auch stärker als die SPD auf zusätzlich­e betrieblic­he und private Vorsorge. Ist im Streit um das Rentenpake­t und die damit verbundene­n Themen eine Lösung in Sicht? Der Streit um die Anspruchsb­erechtigun­g in der Arbeitslos­enversiche­rung ist lösbar. Die Frage, wie lange ein Arbeitnehm­er versicheru­ngspflicht­ig beschäftig­t gewesen sein muss, um Arbeitslos­engeld I erhalten zu können, ist in Monatsschr­itten verhandelb­ar, ebenso wie der Beitragssa­tz zur Arbeitslos­enversiche­rung in Zehntel-Punkten gesenkt werden kann. Geht es am Dienstag beim Treffen der Koalitions­spitzen nur um das Rentenpake­t und die damit verknüpfte­n Themen? Wahrschein­lich kommt auch das Thema bezahlbare­r Wohnraum auf den Tisch. Dabei geht es ebenfalls um zahlreiche miteinande­r verknüpfte Gesetze: Mietpreisb­remse, Baukinderg­eld, steuerlich­e Abschreibu­ngen beim Bauen. Auch der sogenannte Masterplan Migration könnte noch einmal eine Rolle spielen.

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LASCHET UND DER GORDISCHE KONTEN

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