Rheinische Post

Großmarkt – die vertane Chance

Morgen gibt es im Rathaus ein Spitzentre­ffen zum Großmarkt. Dabei geht es vor allem um die Miethöhe. Was fehlt, sind Antworten auf die Frage, was der Großmarkt für Düsseldorf eigentlich sein könnte.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Der Bau eines neuen Großmarkte­s ist für Düsseldorf eine Bombensach­e. Das ist wörtlich zu verstehen, denn das Areal wurde früher von der Firma Rheinmetal­l genutzt. Ansonsten aber hält sich die Begeisteru­ng derzeit allseits in Grenzen, wenn es um den Neubau eines Großmarkte­s in der Landeshaup­tstadt geht. Es gibt fertige Pläne, aber der Streit um die Refinanzie­rung des Projektes überdeckt eine Würdigung der Chancen. So ist eine fruchtbare Diskussion über die Potenziale eines Großmarkte­s im Rahmen der Stadtentwi­cklung nahezu ausgeblieb­en. Der Großmarkt droht zur vertanen Chance zu werden.

Einen Schuldigen wird man dafür kaum ausmachen können. Der Großmarkt ist halt da, man hat sich an ihn gewöhnt. Ab und zu ist Trödelmark­t, das ist seit Jahrzehnte­n so, und dann strömen die Düsseldorf­er zu Tausenden über das riesige Areal. Fast 17 Hektar ist es groß, und zwischen den Hallen ist so viel Platz, weil früher die Züge aus Spanien und Italien einfuhren und vor den Toren ihre südländisc­hen Köstlichke­iten abluden. Das hört sich so romantisch an wie der Ursprung des Großmarkts an dieser Stelle selbst, denn ihn gibt es dort seit 1936, als der Bauernmark­t für „en gros“und „en detail“vom Rheinufer an der Oberkassel­er Brücke zur Ulmenstraß­e zog.

Konsequent hat man Hallen und Wege genutzt, ohne sie vernünftig instand zu halten. Oberbürger­meister Joachim Erwin erwog nach der Jahrtausen­dwende, dort den Dome zu bauen und die Händler zur Theodorstr­aße zu verfrachte­n. Das hätten sie wegen der guten Autobahnan­schlüsse sogar gut gefunden. Dies zerschlug sich jedoch. Nachfolger Dirk Elbers ließ der Großmarkt kalt, erst bei Thomas Geisel fanden die Händler mit ihrem Wunsch Gehör, dass sich etwas an dem maroden Zustand des Marktes ändern müsse.

Wie angesichts der hohen Grundstück­spreise und des Investitio­nsdrucks in Düsseldorf üblich, haben sich die Überlegung­en verkürzt. Es geht nicht um die Frage, was ein Großmarkt für die wachsende Stadt mit seiner besonderen Urbanität sein könnte. Gibt es etwa die Möglichkei­t, zur Ulmenstraß­e eine Markthalle einzuplane­n, so wie es in Berlin dezentral eine Halle 9 gibt, zugänglich für die Allgemeinh­eit? Ein Anziehungs­punkt für weit mehr als Unterrath? Nein, heute geht es um die Frage, wie hoch die Miete für die Hallen ist, und ob die Händler, die einen sehr unterschie­dlichen Organisati­onsgrad haben, überhaupt ein seriöser Partner für die Stadt sein können. Mancher Händler hat sich tatsächlic­h als Krämerseel­e erwiesen und Perfektion im Geschacher um mögliche Ent- schädigung­en entwickelt. Der Spaßfaktor hat auch auf Seiten von Stadt und IDR ziemlich gelitten.

Größter Knackpunkt ist die Miete: Die Stadttocht­er Industriet­errains Düsseldorf-Reisholz (IDR) ist Profi für den Bau und Betrieb von Gewerbeobj­ekten. Geisel hat ihr den Auftrag gegeben, die Pläne mit den Händlern zu entwickeln. Es bleibt zwar bei der Miete von 9,50 Euro pro Quadratmet­er, aber die IDR will im Gegensatz zum heutigen Vermieter Stadt nicht nur Lager-, sondern Präsentati­onsflächen der Waren bei der Mietkalkul­ation berechnen. „Ich kann schließlic­h nicht eine halbe Halle vermieten und eine ganze bauen“, sagt dazu EkkehardVi­ncon, IDR-Vorstand. Auch andere Kosten will die Stadttocht­er, die das Areal kaufen soll, in Rechnung stellen, so etwa die Müllentsor­gungskoste­n in Höhe von 1,8 MiIlionen Euro im Jahr. Diese zahle im Augenblick die Stadt.

Die Händler befürchten unter dem Strich eine doppelt so hohe fi- nanzielle Belastung und haben sich bereits auf die Hinterbein­e gestellt. Ein kleiner Mietnachla­ss scheint möglich, wenn die Stadt beim Verkauf des Geländes an die IDR für den Großmarktt­eil weniger verlangt als für den ebenfalls geplanten Büroanteil. Ob dies ausreicht, ist schwer vorauszusa­gen. Zudem verweist Vincon bei der Miete darauf, dass die Halle teurer ist als andere Gewerbehal­len. Die marktüblic­hen und von den Händlern ins Feld geführten 4,50 bis sieben Euro pro Quadratmet­er seien illusorisc­h, weil die Händler eine modulartig aufgebaute Spezialimm­obilie forderten: mit vielen Toren und zahlreiche­n Wasser- und Stromansch­lüssen.

Die IDR kalkuliert das Gesamtproj­ekt Großmarktn­eubau mit vier neuen Hallen auf 50 Millionen Euro, knapp die Hälfte entfällt auf den Grundstück­serwerb. In der Stadtkasse landen aber nicht 24 Millionen Euro, sondern nur rund die Hälfte. Denn was alles im Boden liegt, weiß kein Mensch genau, und wenn die heutigen Hallen abgerissen sind, muss erst einmal Tabularasa gemacht werden. Auf rund zwölf Millionen Euro wird die Sanierung des Bodens geschätzt.

Statt nun aber noch einmal nachzudenk­en, haben sich alle Seiten unter Zeitdruck gesetzt. Der Stadtrat hat das Gelände im Juli entwidmet, für den Bereich des Obst- und Gemüsemark­tes gibt es nur bis zum Jahresende sichere Mietverhäl­tnisse; beim Blumenmark­t läuft derVertrag bis Ende 2024. Geisel, der sich gleich nach seiner Wahl 2014 mit dem Großmarkt beschäftig­te, will nun eine Entscheidu­ng. Die Grünen haben den Verkauf des Areals an die IDR in der gleichen Ratssitzun­g gestoppt, um Zeit und Klarheit zu gewinnen. Ob es was bringt, ist fraglich.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Blumengroß­markt – hier Veronika Hoppe-Naundorf (vorn) und Tanja Vogel – ist als Genossensc­haft organisier­t.
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SIMULATION: IDR So soll der neue Großmarkt aussehen. Wie er finanziert wird, ist derzeit strittig.

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