Kein Raum für Entschuldigungen
immerhin darum, nicht mehr zu buhen. Osaka hatte feuchte Augen und musste sich anhören, wie US-Verbandschefin Katrina Adams dieVerliererin als Vorbild lobte und sagte: „Wir alle haben uns ein anderes Ende gewünscht.“Später schob sie schriftlich nach, das Verhalten von Williams zeige Klasse. Tennislegende Billie Jean King schlug sich später via Twitter ebenfalls auf die Seite von Williams und prangerte eine „Doppelmoral“im Tennis an, die Frauen benachteilige.
Osaka ging mit all dem bemerkenswert um, brachte mit Nervenstärke nach 1:19 Stunden ihren Aufschlag zum 6:4 durch und umarmte danach ihre japanische Mutter auf der Tribüne innig. Ihr haitianischer Vater sei zu aufgeregt, um das Match dort zu schauen, berichtete sie später. Die 20-Jährige wirkte in der vergifteten Atmosphäre nicht so, als würde sie gerade den größten Erfolg ihrer jungen Karriere feiern. Das wollte die seit der Kindheit erst in New York und dann in Florida lebende Aufsteigerin mit Videospielen, aber nicht mit Alkohol. „Ich bin 20“, antwortete sie entrüstet auf die Frage nach einem Drink.
Von den Kontroversen auf dem Platz habe sie kaum etwas mitbekommen, behauptete Osaka. Was in ihrem Idol, über das sie einst in der Schule als Hausarbeit einen bebilderten Hefter anlegte, womöglich wirklich vorging, ließ sie dagegen sehr wohl durchblicken. „Ich weiß, dass sie wirklich den 24. Grand-Slam-Titel wollte, richtig? Jeder weiß das. Es ist in der Werbung, es ist überall.“
Das Herren-Finale zwischen Novak Djokovic und Juan Martin del Potro war bei Redaktionsschluss nicht beendet.
Es ist nicht einmal zwei Monate her, da erhielt Serena Williams von allen Seiten großes Lob dafür, wie fair sie als Verliererin des Wimbledon-Finals gegen Angelique Kerber agierte. Ein Vorbild an Größe und Sportsgeist, diese US-Amerikanerin. Und gerade weil Williams da der Welt gezeigt hatte, wie sie sein kann, wenn es nicht für sie läuft, muss ihr Auftritt im US-Open-Finale befremdlich wirken. Und es gibt dafür auch keine akzeptable Entschuldigung.
Man mag der 36-Jährigen ja sogar zugestehen, dass sie sich durch die erste Verwarnung durch Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos wegen illegalen Coachings von der Tribüne aus subjektiv benachteiligt fühlte. Dass sie sie als Unrecht empfand, weil sie sich keiner Schuld bewusst wahr. Und mit größtmöglichem Verständnis für die Emotionen in einem Grand-Slam-Finale mag man auch über den zertrümmerten Schläger hinwegsehen, aber was dann kam, bietet keinen Raum für plausible Nachsicht.
Das Angiften des Unparteiischen, er sei ein Dieb, der ihr einen Punkt geklaut habe. Die krude Erhöhung der Vorwürfe, Ramos habe sich das bei ihr getraut, weil sie eben eine Frau sei. Bei einem Mann wäre das nicht passiert. Man kann nur hoffen, dass sie sich ihren Ausraster von New York mit einigem Abstand noch einmal anguckt und danach die Tennis-Welt einigermaßen schamvoll um Entschuldigung bittet.
Vor allem sollte sie sich bei Naomi Osaka entschuldigen, die ganz nebenbei das Finale gewann, weil sie klar besser war. Und es steht einer Verliererin einfach nicht zu, die Bühne mehr für sich zu beanspruchen als die Siegerin. Immerhin bat Williams das peinliche US-Publikum bei der Siegerehrung, doch endlich mit den Buh-Rufen gegen Osaka aufzuhören. Es war ein Aufblitzen der fairen Serena. Der aus dem Wimbledon-Finale.