„Bis Ende Juli 3000 Flüge gestrichen“
Das Samstags-Interview mit Thomas Schnalke, Chef des Flughafens Düsseldorf
DÜSSELDORF
Direkt mit Blick auf das Rollfeld begrüßt uns Thomas Schnalke in seinem Besprechungszimmer. Er wohne so nah am Airport, dass er manchmal auch per Fahrrad kommen könne, erzählt der Chef des Düsseldorfer Flughafens.
Herr Schnalke, wie bewerten Sie den Sommer 2018? Super, weil anders als 2017 das Chaos an den Sicherheitskontrollen ausblieb oder schlimm, weil es so viele Verspätungen sowie Landungen nach 23 Uhr wie nie gab?
SCHNALKE Der Sommer ist sehr gut verlaufen. Der Verkehr und das Angebot lagen auf Vorjahresniveau. Die logistischen Prozesse haben gut funktioniert. Wir hatten keine Engpässe bei den Sicherheitskontrollen. Hier haben auch wir viel geholfen. Mein Dank gilt jedoch vor allem den Mitarbeitern aller Unternehmen für ihren Einsatz. Gleichzeitig bedauern wir die hohe Zahl an Verspätungen außerordentlich, aber sie haben nichts mit Versäumnissen in Düsseldorf zu tun.
Was bedeutet das?
SCHNALKE Die Branche musste die ganze Kapazität von Air Berlin ersetzen. Das war hochkomplex und zeigt sich in den Verspätungen. Europas Luftraum wird zudem ineffizient gemanagt, es gibt zu wenige Fluglotsen und Flugkorridore. Ich begrüße daher sehr, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer für den 5. Oktober einen Branchengipfel einberufen hat. Ansonsten sind wir stolz, dass unser Angebot wieder auf dem Niveau von vor der Air-Berlin-Pleite liegt. Das war eine Menge Arbeit.
Woran machen Sie das fest?
SCHNALKE 2017 haben mit 24,5 Millionen Passagieren so viele Menschen wie nie unseren Flughafen genutzt. In diesem Jahr werden wir mit voraussichtlich 24,3 oder 24,4 Millionen Passagieren nur leicht darunter liegen. Das ist ein großer Erfolg, wenn wir berücksichtigen, dass Air Berlin fast jeden dritten Flug in Düsseldorf abgewickelt hat.
Umso ärgerlicher ist doch, dass das NRW-Verkehrsministerium Ihren Antrag auf deutlich höhere Kapazitäten nun erst 2022 entscheiden will. SCHNALKE Natürlich würden wir uns freuen, wenn die Entscheidung frü- her getroffen werden könnte. Letztlich trägt aber das Verkehrsministerium die Verantwortung für eine saubere Abarbeitung nach Recht und Gesetz und nimmt diese auch wahr.
In der Politik wird gelästert, der Flughafen hätte nicht einmal die Einführung einer Bezahlschranke bei den Parkplätzen direkt vor dem Terminal ohne Probleme hinbekommen.
SCHNALKE Die neue Schrankenanlage funktioniert sehr gut, der Verkehr ist deutlich entspannter als früher. Die Prozesse haben sich eingespielt. Das können wir nach zwei Wochen eindeutig so sagen. Es war richtig, diese Halteplätze ab einer gewissen Standzeit gebührenpflichtig zu machen. Die Verkehrssituation vor dem Terminal war auf Grund des steigenden Verkehrs untragbar geworden. 95 Prozent der Autofahrer kamen mit den anfangs eingeräumten acht Freiminuten aus. Nun haben wir die Freiminuten auf zehn erhöht. Das reicht aus, alle Passagiere entspannt absetzen zu können.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr begrüßte öffentlich, dass der Flughafen Düsseldorf wegen der späten Entscheidung zu den Kapazitäten erst einmal nicht wachsen kann, weil er überlastet sei.
SCHNALKE Dass der Flughafen Düsseldorf noch viel Potenzial hat, zeigt sich immer wieder an der hohen Slotnachfrage. Es ist daher sehr schade, dass Herr Spohr das so beurteilt. Wir haben hier mit der Eurowings die Station erfolgreich aufgebaut. Er tut uns und vor allem den Mitarbeitern seiner Konzerntochter unrecht. Es war erstens ein riesiger Kraftakt seiner Mannschaft, hier mit mittlerweile 38 Jets ein breites Angebot aufgebaut zu haben.
Und zweitens?
SCHNALKE …darf dasWachstum des Luftverkehrs in Nordrhein-Westfalen nicht nur von der Lufthansa bestimmt werden. Schließlich hat der Lufthansa-Ableger Eurowings auch so seine Schwierigkeiten. Bis Ende Juli sind in Düsseldorf 3000 Flüge gestrichen oder umgeleitet worden. Mit rund 60 Prozent entfallen hiervon überdurchschnittlich viele auf die Lufthansa-Gruppe. Das ist auch nachvollziehbar, wenn man um die Komplexität und Schwierigkeiten weiß, die mit der Übernahme der Air-Berlin-Anteile im laufenden Betrieb einhergehen. Ich sehe die Hauptprobleme unserer Branche daher aber ganz klar in der Luft und nicht bei den Flughäfen.
Ist der Lufthansa-Chef nur gegen mehr Kapazitäten in Düsseldorf, um sich Wettbewerber vom Hals zu halten?
SCHNALKE Der Flughafen Düsseldorf ist für viele Fluggesellschaften ausgesprochen attraktiv. Da können und da dürfen wir uns nicht zu sehr von Eurowings und Lufthansa abhängig machen. Sie sind mit 45 Pro- zent Marktanteil zweifelsohne unser wichtigster Partner. Darüber hinaus ist Vielfalt gut für die Reisenden und gut für NRW.Wir wollenWettbewerb.
Wenn alles so gut läuft, warum warten Passagiere in Düsseldorf oft länger als eine Stunde auf ihr Gepäck?
SCHNALKE Der Großteil des Geschäfts läuft reibungslos. Dennoch stehen Servicethemen ganz oben auf der Tagesordnung. Ohne die Airlines geht es aber vielfach nicht. Sie beauftragen die frei am Markt operierenden Firmen für das Gepäckhandling, die dafür viele Mitarbeiter benötigen. Wir beobachten aber immer wieder, dass die Airlines zu niedrige Kapazitäten buchen. Häufig stehen dann nicht genügend Leute bereit, um auch beiVerspätungen das Gepäck schnell auszuladen.Wir helfen nun mit bis zu zwölf eigenen Mitarbeitern, obwohl das Verladen des Gepäcks alleine Aufgabe der Airlines und ihrer Dienstleister ist.
Wir hören immer neue Klagen.
SCHNALKE Auch wir sind sehr unzufrieden mit der Situation. Darum weisen wir in Gesprächen mit den Airlines immer wieder auf die Situation hin und halten den Druck hoch. Sie müssen mehr Geld in ein zügiges Ausladen des Gepäcks investieren. Erzwingen können wir das allerdings nicht.