Mehr Abwehrchef denn je
Kaan Ayhan gilt ohnehin als Kopf der Fortuna-Abwehr. Nach dem Ausfall seines gewohnten Partners in der Innenverteidigung, Andre Hoffmann, muss der türkische Nationalspieler noch mehr Verantwortung tragen.
Die Erkältungsgefahr durch Klimaanlagen macht auch vor Fußballprofis nicht Halt. Kaan Ayhan war zuletzt viel in Europa unterwegs und reichlich Klimaanlagen ausgesetzt. So kam es nicht gerade überraschend, dass der 23-Jährige von der Länderspielreise mit der türkischen Nationalmannschaft leicht verschnupft zurückgekehrt ist. Sein Einsatz gegen die TSG Hoffenheim im Bundesligaspiel am Samstag (15.30 Uhr) stand aber zu keiner Zeit in Frage. Und das ist auch gut so: Der Abwehrchef ist nach Andre Hoffmanns Ausfall (Gehirnerschütterung) wichtiger denn je.
135 Minuten spulte Ayhan bei den Spielen der Türkei gegen Russland (1:2) und gegen Schweden (3:2) ab. „Nach dem 1:1 gegen Leipzig fand ich es schon ein bisschen schade, zur Nationalmannschaft zu fahren. Am liebsten hätte ich direkt das nächste Spiel mit Fortuna gemacht“, sagt Ayhan, aber die Einsätze in der Nationalelf haben ihm letzlich dann doch auch gutgetan – zumindest für den Kopf. „Jetzt will ich die positiven Momente aus dem Leipzig-Spiel und den Länderspielen mitnehmen.“
Dass gegen Hoffenheim in Hoffmann der Mann ausfällt, mit dem er über weite Strecken der vergangenen anderthalb Jahre den zentralen Block der Fortuna-Abwehr stellte, macht Ayhan wenig Sorgen. „Auch für diese Fälle hat man schließlich einen weiteren Innenverteidiger kurz vor Ende der Transferperiode geholt. Und es gilt generell für jeden Spieler bei uns in dieser Saison: Wir können jeden gleichwertig ersetzen“, sagt der ehemalige Schalker. Mit dem letzten Sommerzugang Marcin Kaminski bildeten Hoffmann und Ayhan in Leipzig das
Herzstück einer Fünferkette. Eine Alternative zu Kaminski in einer Viererkette ist Robin Bormuth. „Robin hat das in der vergangenen Saison auch immer gut gemacht. Die Dreierkette sah in vielen Situationen gut aus. Aber vor allem auch, weil wir das insgesamt als Mannschaft gut gemacht haben. Dann ist es auch egal, welche drei Namen da in der Innenverteidigung stehen.Wir werden in jedem Fall versuchen, das auch am Samstag reibungslos zu meistern“, sagt Ayhan – egal, ob im erfolgreichen 5-3-2, im 4-4-2 oder im 4-5-1.
Für Ayhan ist die Frage nach dem System ohnehin völlig überbewertet. „Viele Diskussionen im Fußball machen keinen Sinn, wenn man etwas mehr ins Detail geht. Wenn wir mit der richtigen Einstellung ins Spiel gehen, spielt die taktische Ausrichtung nur eine untergeordnete Rolle“, sagt er und hat zugleich eine Ansage an alle, die glauben, Fortuna würde die Gegner in Heimspielen mit Angriffsfußball überrennen und aus der Arena schießen:„Wenn wir so spielen wie in Leipzig und jemand trotzdem etwas zu meckern hat, muss er Spiele in München gucken gehen.“
DÜSSELDORF
Schon die Arbeitgeber könnten unterschiedlicher kaum sein. Hier die Düsseldorfer Fortuna, die so viel Wert auf ihre Tradition legt, in Paul Janes vor der Uwe-Seele-Ära jahrzehntelang Deutschlands Rekordnationalspieler stellte und 1979 im Finale des Europapokals der Pokalsieger stand. Dort die TSG Hoffenheim, die zwar nur vier Jahre später als Fortuna gegründet wurde, aber erst 2007 erstmals den Sprung in den offiziell bezahlten Fußball schaffte und bis zum Auftauchen des Leipziger Projekts das Sinnbild schlechthin für den neuen, kommerzialisierten Fußball war.
So unvereinbar, wie die Klubs erscheinen, die am Samstag um 15.30 Uhr zum Bundesliga-Duell in der Düsseldorfer Arena aufeinandertreffen, wirken auch ihre Trainer. Fortunas Chefcoach Friedhelm Funkel wird am 10. Dezember 65 Jahre alt und erreicht damit jene Marke, die bis vor kurzem noch deutscher Standard für den Eintritt ins Rentnerdasein war. Sein Gegenüber Julian Nagelsmann könnte mit seinen 31 Jahren ohne Weiteres Funkels Sohn sein und steht wie kein Zweiter für die junge deutsche Trainergeneration – zu allem Überfluss wechselt er nach der Saison auch noch zum Emporkömmling Nummer eins nach Leipzig.
Doch wer daraus eine Frontstellung zwischen den beiden ungleichen Fußballlehrern konstruieren möchte, liegt gänzlich falsch. Na- gelsmann und Funkel mögen sich und schätzen sich, keine Spur von offenem Generationenkrieg oder auch nur kleinen verbalen Spitzen. „Uns erwartet eine richtig schwere Aufgabe gegen einen Verein, der hervorragend geführt ist und einen ausgezeichneten Trainer hat“, sagt Funkel – ein Ritterschlag für Nagelsmann aus dem Munde eines Mannes, der seit 45 Jahren als Spieler und Trainer im deutschen Profifußball arbeitet.
Doch der gebürtige Neusser setzt sogar noch eins drauf. Nagelsmann habe bisher eine beeindruckende Karriere hingelegt, betont Funkel, und es sei toll, wie er alle Situationen gemeistert habe. „Am Anfang war ich skeptisch“, gibt er zu. „Ein 28-Jähriger trainiert eine Bundesligamannschaft, ob das gut geht? Aber Julian hat alle eines Besseren belehrt. Schon die erste Pressekonferenz von ihm hat mir gezeigt, dass er weiß, wovon er spricht. Dass er seine Ideen auch mit Spielern, die schon ein Stück älter sind als er, umgesetzt hat, spricht für ihn – die Erfolge sowieso.“
Der Düsseldorfer Coach legt allerdings Wert darauf, dass Fortunas zweites Heimspiel nach dem Bundesliga-Comeback nicht auf den Kampf der Trainer reduziert werden sollte. „Dass es das Duell so gibt, geben halt die Geburtsdaten her. Aber es spielen jeweils elf Spieler von Hoffenheim und uns gegeneinander und nicht Julian und ich“, erklärt er launig. „Und das ist auch gut so, denn sonst hätte ich bestimmt kei- ne Chance. Dem Altersvorsprung könnte ich wohl körperlich im Einsgegen-Eins nicht mehr standhalten. Aber wir beide spielen ja nicht, deshalb wird es ein interessantes Spiel.“
Und auch Nagelsmann, der vor der Saison erstaunlich offensiv kundgetan hat, mit der TSG in dieser Saison Meister werden zu wollen, schlägt in die gleiche Kerbe. Er freue sich ganz besonders darauf, Branchen-Oldie Funkel„persönlich am Spielfeldrand zu sehen und mit ihm zu quatschen. Er hat ein paar Spiele mehr auf dem Buckel als ich“, sagt Nagelsmann. „Er hat unglaubliche Erfolge in seiner Karriere. Das wird ein interessantes Duell. Weniger wegen unseres Alters, sondern wegen der beiden Teams.“Düsseldorf habe eine „absolute Entwicklung gemacht, das ist größtenteils seine Handschrift“.
Was beide am Samstag vereint, ist der Kampf mit personellen Problemen in der Innenverteidigung. Hoffenheim muss auf Ermin Bicakcic (Achillessehnenbeschwerden), Kasim Adams (Außenbandanriss) und Ex-Fortune Kevin Akpoguma (Bruch der Augenhöhle) verzichten. Bei den Düsseldorfern fehlt Andre Hoffmann (Gehirnerschütterung).