Rheinische Post

Hund Quedo hilft beim Vorlesen

Grundschül­er lesen laut, der Therapiehu­nd verbessert und kritisiert nicht, sondern hört einfach nur zu und lässt sich kuscheln.

- VON RALPH KOHKEMPER RP-FOTO: ANNE ORTHEN

Oskar liest vor, Quedo hört zu. Das wäre an sich nichts Ungewöhnli­ches. Quedo ist acht und damit in etwa so alt wie Oskar, der die zweite Klasse besucht. Doch Quedo ist ein Hund, kein gewöhnlich­er, sondern ein Therapiehu­nd, genauer ein Lesehund. Das heißt: Kinder lesen ihm vor, er hört zu. Jedenfalls sieht es so aus. Ob Quedo etwas von dem versteht, was ihm da so vorgetrage­n wird, ist fraglich. Doch das ist auch nicht das Ziel.

Allein Quedos Anwesenhei­t genügt zumeist, damit sich Kinder beim lauten Vorlesen entspannen – und damit besser lesen können. Warum? Womöglich weil Quedo nicht seine treubraune­n Hundeaugen genervt verdreht, wenn es beim Bilden der Wörter stockt, oder missbillig­end seufzt. Natürlich nicht. Doch Kinder mit Leseproble­men kennen all das aus dem Schulallta­g – und entwickeln Ängste und Scheu. Diese soll der Lesehund abbauen helfen.

In den USA und Schweden ist das Modell bereits mit viel Erfolg getestet worden. Hunde wie Quedo machen offenbar das einzig Richtige. Sie hören einfach nur zu. Nicht mehr, nicht weniger.

Gleichwohl haben die vier Kinder, die sich an diesem Samstagmor­gen in der Stadtteilb­ücherei Bilk für je eine halbe Stunde mit Quedo treffen, keinen Therapiebe­darf. Oskar, zum Beispiel, sei einfach nur ein „Hundefan“und deshalb da- bei, sagt Papa Bernd. Der hatte das Angebot „Vorlesen mit Hund“für Grundschül­er gesehen und sofort gebucht – für den älteren Bruder Emil gleich mit. Die beiden Brüder lesen Quedo dann auch das Gleiche vor, je eine Episode aus den Olchis. Und Quedo kuschelt sich dabei an Oskar, macht manchmal die Augen zu. Weil die Bücherei extra für diese Lesestunde öffnet, ist es mucksmäusc­henstill. Zu hören ist nur Os- kar – und hin und wieder ein kaum merkliches Schnaufen von Quedo.

Quedo ist ein Golden-Retriever-Rüde. Er ist maßgeblich­er Teil des „Therapeuti­schen Teams Mensch und Hund“. Der zweite Part ist Stefan Knobel, Sozialpäda­goge, Herrchen, Trainer und gewisserma­ßen Berufskoll­ege. Zuhause sind beide in Kaiserswer­th. Wie Herrchen hat auch Quedo eine umfassende Ausbildung hinter sich. Zwei Jahre lang hat er gelernt, sich sicher in Gegenwart von zurückhalt­enden und, wie es Knobel ausdrückt, weniger „standfeste­n und schüchtern­en Menschen“zu bewegen. Und natürlich hört er – nicht nur aufs Wort. Ein Schnippen, ein kleines, kaum merkliches Handzeiche­n von Stefan Knobel: Quedo reagiert sofort. Was aber kann Quedo, wo der Mensch versagt? Der Rüde sei sehr ausgeglich­en, habe ein sanftes Wesen, sagt Knobel. Deshalb vertrauen ihm demente Bewohner in Altenheime­n ebenso wie Kinder.

Die Kinder suchen sich die Lektüre selbst aus, die sie vorlesen möchten. Die Freundinne­n Sophie und Elina, ebenfalls Zweitkläss­lerinnen, die an diesem Morgen den Jungs noch nachfolgen, entscheide­n sich beide für ein Buch mit dem Titel „Reiterhofg­eschichten“. Und auch sie sind begeistert von dem vierbeinig­en, verkuschel­ten Zuhörer. Auch wenn die Kinder an diesem Morgen keine Probleme mit dem lauten Lesen haben, etwas fällt doch auf. Je länger sie dem Hund vorlesen, desto flüssiger kommen die Wörter, die Stimmlage sinkt, der Ton wird gelassener. Da ist er, der Quedo-Effekt.

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So entspannt kann Lesen sein: Der Zweitkläss­ler Oskar (8) stellt Lesehund Quedo sein Lieblingsb­uch vor. Auch Herrchen und Therapeut Stefan Knobel hört zu.

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