Digitalisierung – Chance für eine neue Lernkultur
Lehrer-Kolumne Bernd Kowol (65) unterrichtet an der Montessori-Gesamtschule in Flingern.
Wer am Sonntag zusammen mit Kindern das Kinderfest-Event am Rhein besuchte, konnte erleben, wie selbstorganisiertes Leben und Lernen über die Bühne gehen kann. Der Mix aus freier Wahl der Angebote, Experten-Input oder Zusammenarbeit an Spielen zeigte, wie einfach interdisziplinäres gemeinsames Lernen realisiert werden kann. Ein wunderbares Beispiel für die Achtung der Würde jedes Kindes. Lernen ohne Bewertungen, Bestrafungen und Beschämungen. Gemeinsames Tun auf Augenhöhe geht einfacher als viele glauben.
Mit ein wenig Phantasie könnte sich auch jede Schule ab mittags in viele Lernwerkstätten verwandeln. Wenn am Vormittag Raum für die Basics in Sprache (wie das Lesen und Verstehen zu lernen), Mathe-, Geistes- und Naturwissenschaften zur Verfügung steht, so gilt ab dem Mittag die freie Forschung.
Spätestens jetzt, wo beispielsweise Ikea oder Bauhaus beginnen die Kassierer abzuschaffen, wo Feldversuche mit fahrenden Autos zeigen, dass es bald Taxi- oder Lkw-Fahrer nicht mehr geben wird, dämmert es dem Letzten, dass ein „Weiter so“ein echtes „No go“ist. Lehrer, selbst oft Schwimmanfänger in der Datenflut, können sich als Lernbegleiter stetig fortbilden. Assistiert durch Experten aus der Wirtschaft könnten sie den Kindern in ihren Feldforschungen zur Seite stehen.
Wenn dann auch noch das Breitbandnetz endlich zu einem zuverlässigen Wlan führt, endlich IT-Teams mit genügend Stunden für die Pflege des Schulnetzes sorgen, können wir schon jetzt gespannt sein, welches Know-how sich in den Schulclouds sammeln kann, wie Schüler und Lehrer gemeinsam zu „Influencern“ihrer Forschungsergebnisse werden, wo Schüler nicht nur „bloßes Klicken“drauf haben, sondern endlich auch in den Medien wieder zu Subjekten werden, in dem sie selbst programmieren, Artikel oder Dokus publizieren lernen. Dazu gehört auch, auf eine Verbotskultur (wie beim Handy in Frankreich und Bayern) zu verzichten und stattdessen gemeinsame Regeln der Nutzung zu vereinbaren.