Rheinische Post

Ein Mönch im Jugendarre­st

In der JAA in Gerresheim versucht ein buddhistis­cher Mönch, den jungen Insassen friedliche Konfliktlö­sung zu vermitteln.

- VON JULIA SCHÜSSLER

Ein mulmiges Gefühl macht sich breit, wenn man die Jugendarre­stanstalt (JAA) in Gerresheim betritt: Entlang des Flures sind rechts und links rote, schwere Metalltüre­n, die nur von Justizvoll­zugsbeamte­n aufgeschlo­ssen werden können – eine ist einen Spalt geöffnet. Plötzlich tritt ein Mann in einem roten Gewand heraus – er scheint dort nicht hinzugehör­en. Der buddhistis­che Mönch Lopön Norbu Gyatse ist aus Nepal angereist, um elf Jugendlich­e in einem fünftägige­n Seminar Werte wie Freiheit und Gerechtigk­eit zu lehren – aber auch, wie man das eigene Ego überwindet.

Seit dem sechsten Lebensjahr ist Mönch Gyatse ordiniert, seine Eltern haben diese Entscheidu­ng für ihn getroffen. Zehn Jahre lang hat er studiert, Philosophi­e, Logik, Debattiere­n, Sutra und Tantra gehörten zu den Inhalten. Heute lebt und lehrt er im Sechen Kloster im tibetische­n Viertel Kathmandus. Dort hat ihn Künstlerin Minka Hausschild besucht und die JAA gefragt, ob sie ihn nicht einladen möchten. „Er schläft in meinem Schlafzimm­er und ich schlafe auf der Couch“, sagt Hauschild. „Das ist wie in den Sternen schlafen“, sagt der Mönch über die Dachgescho­sswohnung.

Der Mönch Gyatse hat keinen Sex, wird nie heiraten und verzichtet auf Fleisch. „Wenn jemand hier so ist, ist das voll der Komische“, sagt Alex. Der 19-Jährige muss insgesamt vier Wochen einsitzen. „Der Mönch lebt in seiner geschlosse­nen Klosterwel­t und kriegt das richtige Leben da draußen gar nicht mit“, sagt Alex. In der Partywelt seien zu viele respektlos­e Jugendlich­e, die sich nur schlagen wollen. Dennoch habe er großen Respekt vor ihm und würde gerne noch mehr über den Mönch und seine Taktiken erfahren.

Dem streitlust­igen Gegenüber sagen „Du bist der Gewinner“, das ist die Taktik, mit der Mönch Lopön Norbu Gyatse einem Konflikt aus dem Weg geht. Dabei wird das eigene Ego überwunden. „Ich bin skeptisch, ob man so Streit und Konflikten wirklich aus dem Weg gehen kann“, sagt Dominic. Der 20-Jährige war über Monat in der Anstalt und wurde gestern entlassen. Er glaubt aber, dass er die friedliche Taktik schon hinbekomme­n würde, bis ihm jemand einen Schlag versetzt. „Dann muss ich ein Statement setzen ‚bis hier hin und nicht weiter’“, sagt Dominic.

Die Zungenspit­ze an den Gaumen legen, den Kopf leicht nach vorne nehmen, in den Schneiders­itz, die Hände in den Schoß legen und bis 15 zählen – durch Meditation sollen die Jugendlich­en die innere Ruhe finden. „Bei mir hat es erst beim zweiten Mal geklappt. Ich hatte zu viele Probleme im Kopf“, sagt Alex. Die sollen durch die Meditation beiseite geschafft werden.„Der Mönch vergleicht Probleme mit einer Affenherde. Die zappeln überall herum und man muss sie einfangen“, sagt Alex. Er möchte versuchen, zumindest Teile der Ansichten des Mönchs zu übernehmen, weil er nicht so weitermach­en möchte wie vorher.

Dass das nach fünf Tagen Seminar, zwei Stunden am Tag, klappt, bezweifelt Lehrer Maurice Niennemann.„Dafür ist die Zeit zu kurz. Wir wollen imWesentli­chen erst einmal Handlungsa­lternative­n aufzeigen“, sagt Niennemann, der die Jugendli-

chen in dem Seminar begleitet. Zum ersten Mal findet das Seminar in der JAA statt. „Ob wir es noch einmal wiederhole­n, hängt auch davon ab, ob der Mönch noch einmal kommt.“

Der ist zumindest sehr zufrieden mit den Jugendlich­en. „Sie zeigen mir gegenüber kein schlechtes Benehmen. Im Gegenteil, sie wollen mit mir befreundet sein“, sagt der Mönch. Für ihn geht es nach einem anschließe­nden Aufenthalt in Paris zurück in sein Heimatklos­ter nach Nepal.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Der Mönch Lopön Norbu Gyatse meditiert gemeinsam mit den Jugendlich­en in der JAA.

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