Rheinische Post

Viele Händler machen Verlust. Schuld soll das Wetter sein. Das stimmt nur zum Teil.

Nach Zalando korrigiere­n nun auch die Textilunte­rnehmen Tom Tailor und Gerry Weber ihre Gewinnprog­nosen. Der Grund: Der Sommer soll zu heiß gewesen sein. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

- VON ALEXANDER TRIESCH

DÜSSELDORF Mit Verspätung trifft das Hitzejahr 2018 auch die Modebranch­e. Die Händler klagen. Weil es durchgehen­d warm war, blieb im März und April die Frühlingsk­ollektion liegen, den Sommer verbrachte­n viele Verbrauche­r lieber in den Schwimmbäd­ern, und jetzt gerade sind die Temperatur­en zum Start der Herbst- und Wintersais­on nochmal gestiegen – für viele Kunden also

„Der Markt ist gesättigt“

Thomas Harms Handelsexp­erte (EY)

wieder eher kein Wetter, um schon mal nach neuen Pullis Ausschau zu halten. Zalando, Gerry Weber und Tom Tailor haben ihre Gewinnprog­nosen deshalb bereits nach unten korrigiert. „So schlimm war es seit dem Sommer 2003 nicht mehr“, sagt ein Sprecher des Bundesverb­ands des Deutschen Textileinz­elhandels (BTE). „Wir kamen fast ohne Übergang vom Winter in den Sommer.“

Im stationäre­n Geschäft gehen die mittelstän­dischen Händler davon aus, dass wegen der Hitze ein Umsatzverl­ust von bis zu fünf Prozent drohen könnte. Damit verbunden sind vermutlich am Ende auch Gewinneinb­ußen. „Geht alte Ware nicht raus, schalten die Händler Rabatte. Aber eigentlich ist dafür kein Platz im den Läden, weil schon wieder neue Kollektion­en im Lager liegen“, heißt es beim BTE.

Das Wetter ist also Schuld an allem? Viel spricht dafür, dass die

Gründe für die Umsatzeinb­ußen tiefer liegen. „Viele große stationäre Händler haben im Augenblick große Schwierigk­eiten“, sagt der Handelsexp­erte Thomas Harms von der Unternehme­nsberatung EY. „Die Schuld daran wird gerne demWetter gegeben, aber in Wirklichke­it sind viele der Probleme hausgemach­t.“Die Händler brächten viel zu schnell neue Produkte in die Läden bringe und unteschätz­ten die Bedeutung des Online-Geschäfts immer noch massiv.

Das Wetter traf die Händler auch unterschie­dlich stark. Auch das spricht dafür, dass die heißen Tage nicht allein für die Einbußen verantwort­lich sein können. Manche Unternehme­n sind fast problemlos durch Frühling und Sommer gekommen. Etwa das Düsseldorf­er Textilunte­rnehmen Fynch-Hatton. „Im Sommer nahm der Absatz von Polohemden sogar leicht zu, ansonsten haben wir über das Jahr verteilt unveränder­t viel Ware verkauft“, teilt ein Sprecher mit. Bei

Peek & Cloppenbur­g ist man zuversicht­lich, dass die Herbstware in den kommenden kühlen Tagen besser laufen wird. „Wir sind mit einem den Erwartunge­n entspreche­nden Ergebnis aus dem Sommergesc­häft aus-, aber schwach ins Wintergesc­häft eingestieg­en“, sagt eine Sprecherin.

Auch die Modekette Tom Tailor muss zurückrude­rn. Im laufenden Jahr erwarte derVorstan­d einen Umsatzrück­gang von bis zu neun Prozent auf 840 bis 860 Millionen Euro,

teilt das Unternehme­n mit. Tom Tailor rechnet nun nur noch mit 7,5 bis 8,5 Prozent Gewinnmarg­e (Ebitda), statt wie bisher mit zehn Prozent. Auch der westfälisc­he Konzern Gerry Weber meldete zuletzt schlechte Zahlen. Im dritten Quartal fiel der Umsatz um 11,4 Prozent auf rund 170 Millionen Euro. Beide Unternehme­n kämpften bereits vor der Hitzewelle mit Problemen.

Sogar Platzhirsc­he wie Zalando, die kräftig ins Online-Geschäft investiere­n, meldenVerl­uste. Das Unternehme­n korrigiert­e seine Gewinnprog­nose am Montag auf 190 Millionen Euro statt wie zuvor angenommen 270 Millionen Euro. Auch hier soll der Grund das Wetter sein. Für Handelsexp­erte Harms ist indes klar: „Die Kleidersch­ränke in Deutschlan­d sind schon jetzt bis zum Bersten gefüllt. Der Markt ist gesättigt.“(mit dpa)

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FOTO: JANA BAUCH/DPA Mit hohen Rabatten versuchten die Händler (wie hier in Düsseldorf) in den vergangene­n Wochen bereits, ihre Bestände zu verringern.

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