„Wir müssen dem Druck standhalten“
Fortunas Stürmer hat eine Karlsruher Vergangenheit. Ein Sieg in Stuttgart wäre für ihn daher etwas Besonderes.
Wenn Fortuna am Freitagabend beim VfB Stuttgart (20.30 Uhr, Eurosport-Player) antritt, spricht alles dafür, dass Rouwen Hennings wieder im Sturm aufläuft.Wir haben mit dem 31-Jährigen gesprochen.
Herr Hennings, mit dem ersten Sieg im Rücken kann das Team doch befreit in Stuttgart aufspielen, oder?
Hennings Es war auf jeden Fall wichtig, dass wir drei Punkte mitgenommen haben. Aber es wird ein schwieriges Spiel, weil die Stuttgarter punktemäßig keinen guten Start hatten. Der VfB wird von Anfang an Druck aufbauen. Dem müssen wir standhalten.
Das kann aber auch von Vorteil sein...
Hennings Es kann sich dann der ein oder andere Raum für uns ergeben, den wir nutzen wollen. Wir können gut verteidigen – das haben wir in den drei Spielen gezeigt. Gegen Hoffenheim war es unser schlechtestes Spiel, aber wir waren zweikampfstark, haben uns überall reingeworfen. Wenn wir es jetzt auch wieder spielerisch besser machen, haben wir definitiv die Chance, Punkte aus Stuttgart mitzunehmen.
Sie laufen viel, reiben sich in vielen Zweikämpfen auf. Wie wichtig ist die Regeneration vor der englischen Woche?
Hennings Die zeitlichen Abstände sind okay. Wir spielen Freitag und Mittwoch. Da ist genug Zeit zur Regeneration. Das einzig Ärgerliche ist, dass wir erst in der Nacht auf Samstag zurückkommen. Da müssen wir dann etwas Schlaf nachholen. Aber: Ich spiele lieber als zu trainieren.
Drei Spiele in neun Tagen sind bei dem kraftaufwändigen Fortuna-Stil aber schon eine Hausnummer. Hat jeder im Team die 270 Minuten in dieser kurzen Zeit im Tank?
Hennings Ich denke schon, dass jeder das im Tank hat. Auch in der Länderspielpause haben wir viel im konditionellen Bereich gearbeitet.
Erwarten Sie eine andere taktische Grundausrichtung als in den Spielen in Leipzig und gegen Hoffenheim?
Hennings Nicht unbedingt. Wir haben es doch gut gemacht. Wenn einer vor den Spielen gesagt hätte, dass wir vier Punkte holen, hätte jeder ,Ja’ gesagt. Wir wissen, dass wir auch andere Systeme spielen können. Der Trainer wird die bestmögliche Entscheidung treffen.
Aber die Umsetzung des Systems soll dann laufen wie in Leipzig? Hennings Ja, das war unser bestes Spiel.Wir hätten mit etwas mehr Genauigkeit auch gewinnen können. Wenn wir wieder so spielen, wäre das vernünftig. Wir werden wohl in Stuttgart wieder etwas mehr Räume bekommen als gegen Hoffenheim.
Worauf muss das Team achten? Hennings Sie haben Superspieler. Mario Gomez ist ein Stürmer, der seit zehn Jahren immer trifft. Es gibt so viele Kritiker, aber die sollen sich einfach seine Torquote ansehen. Die spricht für sich. Dann haben sie noch in Christian Gentner oder Daniel Didavi super Fußballer, die ein Spiel durch Einzelaktionen entscheiden können.
Gegen zwei Topteams sah es gut
aus. Gegen Augsburg eher nicht so. Gibt es dafür eine Erklärung? Hennings Wir spielen jedes Wochenende in der Bundesliga gegen Top-Teams. Stuttgart ist nur knapp nicht in die Europa League gekommen. Das ist ein Superverein, der über Jahre erfolgreich gespielt hat und dann den Abstiegs-Ausrutscher souverän ausgebügelt hat. Er ist also schon noch eine Stufe höher als Augsburg anzusiedeln und nicht ganz so weit von Hoffenheim weg.
Sie haben eine Karlsruher Vergangenheit. Der KSC pflegt eine große Rivalität mit dem VfB. Haben Sie da eine Abneigung mitgenommen? Hennings Ich habe in meiner Karlsruher Zeit nie gegen den VfB gespielt. Da ich aber immer noch Karlsruhe-Sympathisant bin, wäre ein Auswärtssieg noch besonderer.
DÜSSELDORF Wie oft hat man die Floskel eigentlich schon gehört? „Ein Stürmer wird nun mal an seinen Toren gemessen“– dieser Spruch wird seit Menschengedenken geklopft, nach einem Weltmeisterschafts-Finale ebenso wie nach einem Kreisliga-Kick oder am Stammtisch in der Eckkneipe.
Doch Friedhelm Funkel ist keiner, der sich um Konventionen schert. Und so gilt die scheinbar so festgefügte Floskel um Stürmer und ihren Tore-Maßstab für den Cheftrainer des Aufsteigers Fortuna Düsseldorf schlichtweg nicht. „In der Bundesliga haben unsere Stürmer eine ganz andere Aufgabe, als wie wir das aus der Zweiten Liga gewohnt waren“, sagt der 64-Jährige. „Sie müssen sehr viel für die Mannschaft arbeiten, und deshalb messe ich keinen meiner Stürmer in der Bundesliga an Toren, keinen einzigen.“
Funkel erweist sich damit vor Fortunas Gastspiel am Freitagabend beim VfB Stuttgart (20.30 Uhr) mal wieder als Schlitzohr. In diesem Fall als eines, das einen genauen Blick auf Statistiken wirft: Denn Fortuna hat zwar nach drei Ligaspielen schon beachtliche vier Punkte eingefahren und dabei vier Tore erzielt – doch keines davon ging auf das Konto der für die Startelf nominierten Stürmer Marvin Ducksch und Rouwen Hennings.
Darüber hat zwar öffentlich noch niemand gemeckert, was angesichts der ganz starken Vorstellungen insbesondere von Hennings auch eine Farce gewesen wäre. Doch der erfahrene Coach kennt die Branche wie kaum ein Zweiter und weiß daher genau, dass die Rechenschieber nicht allzu tief in den Schubladen vergraben sind. Und bevor es dann wieder heißt„Stürmer X seit soundsoviel Minuten ohne Tor“baut Funkel einfach vor und weist jeden im
Umfeld des Klubs auf die tatsächlichen Erfordernisse des Oberhauses hin.
„Ich habe zu aktiven Zeiten auch eine Menge Tore geschossen, aber ich hatte mal eine Saison dabei, in der ich 34 Spiele lang nicht getroffen habe“, sagt der Trainer. „Gespielt habe ich trotzdem immer, weil der
Trainer meinen Wert für die Mannschaft erkannt hatte. Genauso habe ich es auch immer gehalten und so werde ich es weiterhin halten. Laufund Einsatzbereitschaft sind der Maßstab. Wie die Stürmer für die Mannschaft arbeiten, ist relevant. Und das machen Rouwen und Marvin bisher vorzüglich.“
Funkel bricht eine Lanze für seine Stürmer – aber einen Freibrief stellt er ihnen damit nicht aus. Denn das Gastspiel beim VfB bildet den Auftakt zu einer englischen Woche mit drei Partien innerhalb von neun Tagen. „Das heißt, das Thema Rotation wird bei uns eine Rolle spielen“, kündigt der gebürtige Neusser an.
„Unser Spiel kostet sehr viel Kraft. Die Jungs sind richtig ausgelaugt nach dem Abpfiff. Da werden wir auf jeden Fall auch einmal andere spielen lassen. Ich weiß nur noch nicht, ob schon am Freitag oder erst am Mittwoch gegen Leverkusen oder nächsten Samstag in Nürnberg.“
Wahrscheinlich ist, dass er damit zumindest bis Mittwoch warten wird. Denn neben dem besonders fleißigen Hennings, der die für einen Mittelstürmer ganz starke Laufleistung von 24,17 Kilometern in 207 Spielminuten abspulte, kommen für eine Ruhepause nicht zuletzt die Dauerläufer Jean Zimmer und Matthias Zimmermann in Frage. Doch diese beiden wird Funkel, ebenso wie Innenverteidiger Marcin Kaminski, nicht ausgerechnet gegen Stuttgart draußen lassen: Das Trio stand noch bis vor kurzem in Diensten des VfB – Kaminski ist gar nur ausgeliehen – und bringt daher eine besondere Motivation mit.
Funkel wäre jedoch nicht Funkel, wenn er diesem Faktor öffentlich eine Bedeutung beimäße. „Es hat mich nie interessiert, ob es gegen einen früheren Verein geht oder nicht“, brummt er. Es genügt ja auch, wenn es Kaminski, Zimmer und Zimmermann interessiert.