Zinsanstieg: Höhere Risiken für Unternehmen
Die Zinsen im Euroraum könnten mittel- bis langfristig steigen. Die Unternehmen sind zwar weiterhin positiv gestimmt. Aber teurer werdende Kredite können sie belasten, gerade in Kombination mit einer abgekühlten konjunkturellen Entwicklung.
Ist die Wende nahe? Seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Zinsen langfristig wieder steigen werden. Die Vereinigten Staaten haben vorgelegt: Die Rendite für zwei Jahre laufende USStaatsanleihen hat mit 2,65 Prozent den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren erreicht. Zuletzt hatte die USNotenbank Fed im Juni den Leitzins auf die Spanne von 1,75 bis zwei Prozent angehoben – verbunden mit dem Hinweis auf zwei weitere Zinssteigerungen in diesem Jahr. Auch in der Schweiz gehen die Renditen von zehnjährigen Bundesanleihen mit (um fünf Basispunkte auf 0,07 Prozent), ebenso hierzulande: Ein zehnjähriges Staatspapier rentiert jetzt mit 0,42 Prozent.
Für Kapitalanleger bedeutet das möglicherweise eine gewisse Entspannung. Sie können künftig eher wieder mit ei- ner Stabilisierung ihrer festverzinslichen Anlagen rechnen. Zugleich führen steigende Zinsen freilich zu einer Verteuerung der Unternehmensfinanzierungen. Die Beratungsgesellschaft Barkow Consulting hatte schon für das Jahresende 2017 errechnet, dass sich seit Anfang Dezember die Zinsen für fünfjährige Kredite im Durchschnitt um 0,28 Prozentpunkte auf 1,99 Prozent verteuert hatten. Mit weiter steigenden Zinsen wird dieser Prozess nunmehr beschleunigt.
Aktuell ist von Unsicherheit indes noch nichts zu spüren. „Die Finanzierungssituation der Unternehmen befindet sich unverändert auf einem Allzeithoch. Niemals zuvor haben weniger Unternehmen den Kreditzugang als ‚schwierig‘ eingestuft als in der aktuellen Erhebung“, heißt es in der „Unternehmensbefragung 2018 – Stimmung auf Kreditmarkt ungebrochen gut“der KfW-Bankengruppe. Das Finanzierungsklima habe sich im zurückliegenden Jahr nochmals geringfügig verbessert. Der Anteil der Unternehmen, die von Schwierigkeiten beim Kreditzugang berichten, ist um 2,6 Prozentpunkte auf 12,5 Prozent gesunken. Demgegenüber gaben laut der KfW-Befragung 54,3 Prozent der Unternehmen an, dass der Kreditzugang „leicht“sei. Dieser Anteil habe sich lediglich um einen Prozentpunkt verringert.
Auch die Unternehmen selbst sind noch guter Dinge. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im August auf 103,8 Punkte gestiegen, nach 101,7 Punkten im Juli. Die Unternehmer waren erneut etwas zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Ihre Erwartungen korrigierten sie merklich nach oben. Das zeigen die Ergebnisse der Ifo-Konjunkturumfragen im August.
Die mittel- bis langfristigen Aussichten an den Zinsmärkten sind indes eine Gefahr für Unternehmen. „Steigende Zinsen sind Ausdruck eines höheren Risikos. Dies wird die Li- quidität vieler Unternehmen belasten und führt bei notwendigen Investitionen zu höheren Kosten und zu höheren Sicherheiten – eben wegen des gefühlten höheren Risikos. Zugleich stehen die Unternehmen als Folge des steigenden Risikos unter einer größeren Beobachtung durch die finanzierenden Banken, woraus wiederum höhere Anforderungen im Reporting entstehen. Und das führt letztlich zu weiter steigenden Kosten“, fasst Wirtschaftsanwalt und Restrukturierungsexperte Dr. Guido Krüger von der Anwaltssozietät Beiten Burkhardt die Situation für Unternehmen zusammen.
Seiner Ansicht nach könnte daraus eine steigende Anzahl von Sanierungsfällen entstehen, weil die Unternehmen mit den steigenden Kosten nicht umgehen könnten beziehungsweise Kredite gar nicht mehr erhielten. „Es gehört zum unternehmerischen Risi- komanagement, diese Szenarien durchzuspielen und im Bedarfsfall frühestmöglich durch eine leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierung gegenzusteuern. Ist die Liqui- dität erst einmal stark beschädigt oder fällt eine Finanzierung aus, kann das wirklich ernste Konsequenzen haben“, sagt Krüger.
In ihren aktuellen „European Economic Perspectives“weist die Großbank UBS zudem auf ein langsamer werdendes Wachstum hin. Das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum habe sich bei einem Plus von 0,4 Prozent eingependelt, was auch für das dritte Quartal zu erwarten sei – laut Chefvolkswirt Reinhard Cluse ein enttäuschendes Ergebnis, da Beobachter mit einer Wachstumszunahme gerechnet hatten. Die Aussichten seien generell eher negativ.
Laut der UBS erwartet die Europäische Zentralbank für 2019 ein Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent, nach 2,1 Prozent für dieses Jahr. „Das hängt besonders mit dem anziehenden Wirtschaftsprotektionismus großer Marktteilnehmer zusammen. Dieser hat zu einer substanziellen Abkühlung bei den Zukunftsprognosen geführt, genauso wie die ungeklärte Situation in Italien hinsichtlich des Haushalts“, sagt Reinhard Cluse. Dies gelte es, eng zu beobachten. Es ist jetzt also genau die rechte Zeit für Unternehmen, sich für die Zukunft zu rüsten.