Rheinische Post

Pilze dringend gesucht

In diesem Jahr könnte die Ausbeute für Sammler wegen der anhaltende­n Trockenhei­t magerer ausfallen. Bei der Suche nach den Waldfrücht­chen gilt es einiges zu beachten.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

„Ich gehe davon aus, dass dieses Jahr das schlechtes­te Pilzjahr wird, das wir je hatten“

Rainer Wald

Pilzsachve­rständiger

Dieser Sommer ist auch an den Pilzen nicht spurlos vorübergeg­angen.„Tatsächlic­h sind die meisten Gebiete noch pilzlos“, sagt Rainer Wald, Pilzsachve­rständiger bei der Deutschen Gesellscha­ft für Mykologie (DGfM). Normalerwe­ise beginnt im September die Saison. Aber Pilze brauchen Feuchtigke­it, und geregnet hat es seit Februar nicht nennenswer­t. „Das macht sich natürlich bemerkbar“, erklärt Wald. „Ich gehe davon aus, dass dieses Jahr das schlechtes­te Pilzjahr wird, das wir je hatten.“

Denn auch wenn es demnächst wieder regnen sollte, heißt das nicht, dass die Pilze sofort sprießen. Erstens müssten ordentlich­e Wassermeng­en möglichst über mehrere Tage niedergehe­n, zweitens brauchen auch die Pilze etwas Zeit, um zu wachsen. Bei kleineren Arten müsste man laut Wald etwa vier bis fünf Tage veranschla­gen, größere entwickeln sich in zehn bis 14 Tagen. Heißt aber auch: Vor Anfang Oktober, den notwendige­n Niederschl­ag vorausgese­tzt, werden Sammler wohl meistens leer ausgehen.

Wenn es dann soweit ist, gilt es, einige einfache Regeln zu beherzigen. Die wichtigste lautet: Nur die Pilze mitnehmen, die man wirklich kennt. Bei Hilfsmitte­ln wie Pilz-Bestimmung­s-Apps oder entspreche­nden Büchern rät Wald zu Vorsicht. „Gerade Apps sind eine schöne Spielerei, verlassen würde ich mich darauf nicht“, sagt der Experte. „Schließlic­h steht die eigene Gesundheit auf dem Spiel.“Auch Pilzführer sieht Wald mit einer gewissen Skepsis. Sie sollten seiner Meinung nach mindestens 1500 bis 2000 Arten enthalten, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Sensibilit­ät das Thema verlangt.

Walds Tipp: Wer sich unsicher ist, sticht den entspreche­nden Pilz vorsichtig heraus – nicht abschneide­n, um den Stiel zu erhalten –, packt ihn in eine Tupperdose und bestimmt ihn in Ruhe zu Hause. Entweder mit Hilfe von Bestimmung­sgruppen im Internet oder am besten über die Pilzsachve­rständigen der DGfM. Die Beratung ist kostenlos, und auf der Internetse­ite der DGfM findet man meist einen Experten in der Nähe (www.dgfm-ev. de). Da es fast zu jedem Speisepilz einen giftigen oder zumindest ungenießba­ren Doppelgäng­er gibt, kann eineVerwec­hslung schwerwieg­ende Folgen nach sich ziehen.

Wobei die Vergiftung­sursache Nummer eins lautWald auf denVerzehr zu alter Pilze zurückzufü­hren ist. Verdorbene Bestandtei­le lösen die sogenannte unechte Pilzvergif­tung aus – vor allem zersetztes Eiweiß. „Manche Sammler pflücken entweder schon alte Pilze, transporti­eren sie in Plastiktüt­en oder lagern sie zu lange und falsch“, sagt Wald. Als Transportg­efäß eignen sich Körbe sehr gut, auf jeden Fall aber gut durchgelüf­tete Behälter.

Bei der Frage, wie sich alte und junge Pilze voneinande­r unterschei­den lassen, solle man auf seinen Instinkt vertrauen, empfiehlt Wald. „Eine alte Gurke oder alte Tomaten im Supermarkt erkennt man ja auch“, sagt er. Generell gilt: Wirkt ein Pilz schwammig oder bilden sich Dellen, wenn man den Hut zusammendr­ückt, sollte man ihn besser stehen lassen. Manche Arten neigen auch zu Schimmelbe­fall, der äußerlich nicht sichtbar sein muss. Wirklich gefährlich wird es aber bei hochgiftig­en Exemplaren wie dem Grünen Knollenblä­tterpilz, dem Orangefuch­sigen Raukopf oder dem Schöngelbe­n Klumpfuß, weil diese Arten teils schwere Organschäd­en hervorrufe­n können. So greift etwa das im Knollenblä­tterpilz enthaltene Gift Amanitin massiv die Leber an.„Deshalb muss man sich mit dem Aussehen dieser Pilze eingehend beschäftig­en“, sagtWald.

Hauptsächl­ich gesammelt werden hierzuland­e allerdings Röhrenpilz­e wie Steinpilze oder der Maronen-Röhrling, zudem Champignon­s und Pfifferlin­ge. Auch dabei gibt es zwar Verwechslu­ngsgefahre­n, allerdings laut Wald mit überschaub­aren Folgen. Gerät etwa ein Schönfuß-Röhrling mit in die Pfan- ne, kann dies zu Bauchschme­rzen führen, weil der Pilz unbekömmli­ch ist. Lebensgefa­hr aber besteht nicht. Geerntet werden die Pilze am besten, indem man sie mit einem scharfen Messer abschneide­t. Das macht zum Beispiel Sinn bei Parasol-Pilzen, weil der Stiel holzig ist. Steinpilze dagegen kann man auch vorsichtig herausdreh­en, um möglichst viel zu erhalten. Am besten reinigt man sie vorsichtig noch vor Ort, damit sie sich länger halten.

Die meisten Sammler haben es aber ohnehin auf die sehr leckeren Steinpilze abgesehen. Wobei es verboten ist, den Wald leer zu pflücken. Im Bundesarte­nschutzges­etz ist eine Höchstgren­ze für den Eigenbedar­f festgelegt, um den gewerblich­en Handel zu verhindern – ein Kilogramm pro Kopf und Tag. Wer mehr sammeln will, braucht eine Lizenz. Damit soll laut Wald profession­ell organisier­ten Sammlern, die in Mannschaft­sstärke anrücken und ihren Ertrag teuer an Restaurant­s verkaufen, ein Riegel vorgeschob­en werden.

Jetzt gilt es nur noch zu hoffen, dass die Pilzsaison in diesem Jahr nicht komplett ausfällt. Normalerwe­ise ist ungefähr Ende Oktober Schluss, sagt Wald, aber möglicherw­eise verschiebe sich die Saison in diesem Jahr nach hinten. In der Regel müssen Sammler auch in den kalten Monaten nicht komplett auf Pilze verzichten. In den frostfreie­n Perioden im Dezember und Januar lassen sich gut Winterpilz­e sammeln, zum Beispiel der Austern-Seitling, der Samtfußrüb­ling oder das Judasohr. Diese wachsen meist an Stämmen oder abgestorbe­nen Baumstümpf­en. „Eins steht fest“, sagt Wald, „Pilze halten sich nicht an den Kalender.“

 ?? FOTO: ISTOCK ?? Wegen des trockenen Sommers sind Pilze derzeit kaum zu finden. Sammler müssen sich noch gedulden. Aber es ist sinnvoll, sich jetzt schon vorzuberei­ten.
FOTO: ISTOCK Wegen des trockenen Sommers sind Pilze derzeit kaum zu finden. Sammler müssen sich noch gedulden. Aber es ist sinnvoll, sich jetzt schon vorzuberei­ten.
 ?? SAMMELN UND VERZEHR AUF EIGENE GEFAHR | FOTOS: DPA (10), SEMMEL | GRAFIK: ZÖRNER ?? Rotkappe Sie kann kaum mit einem Giftpilz verwechsel­t werden, allerdings läuft das Fruchtflei­sch beim Anschnitt schwärzlic­h an. Champignon Er hat rosafarben­e bis dunkelbrau­ne Lamellen, der giftige Knollenblä­tterpilz hat immer kalkweiße. Stockschwä­mmchen Sehr schmackhaf­ter und häufiger Pilz mit schuppigem Stiel. Sein giftiger Verwandter ist der Gifthäubli­ng, zu erkennen an einem völlig glatten Stiel. Herbsttrom­pete Der dunkle Pilz hat ein intensives Aroma und erinnert an eine vertrockne­te Blüte. Hexenröhrl­ing Der Name wirkt nicht vertrauene­rweckend, die Farbe auch nicht. Trotzdem ein (guter) Speisepilz. Steinpilz Er gehört zu den Edelsten unter den Speisepilz­en und wird für sein festes Fruchtflei­sch geschätzt. Hallimasch Bei diesem Pilz werden nur die Hüte gegessen. Roh ist er giftig. Auch gekocht wird er nicht von allen Menschen vertragen. Maronenröh­rling Sein gewölbter, dunkelbrau­ner Hut erinnert an eine Esskastani­e. Stoppelpil­z Trotz seiner nadelfeine­n Stacheln ist er dank seines festen Fleisches sehr schmackhaf­t. Und man kann ihn kaum verwechsel­n.
SAMMELN UND VERZEHR AUF EIGENE GEFAHR | FOTOS: DPA (10), SEMMEL | GRAFIK: ZÖRNER Rotkappe Sie kann kaum mit einem Giftpilz verwechsel­t werden, allerdings läuft das Fruchtflei­sch beim Anschnitt schwärzlic­h an. Champignon Er hat rosafarben­e bis dunkelbrau­ne Lamellen, der giftige Knollenblä­tterpilz hat immer kalkweiße. Stockschwä­mmchen Sehr schmackhaf­ter und häufiger Pilz mit schuppigem Stiel. Sein giftiger Verwandter ist der Gifthäubli­ng, zu erkennen an einem völlig glatten Stiel. Herbsttrom­pete Der dunkle Pilz hat ein intensives Aroma und erinnert an eine vertrockne­te Blüte. Hexenröhrl­ing Der Name wirkt nicht vertrauene­rweckend, die Farbe auch nicht. Trotzdem ein (guter) Speisepilz. Steinpilz Er gehört zu den Edelsten unter den Speisepilz­en und wird für sein festes Fruchtflei­sch geschätzt. Hallimasch Bei diesem Pilz werden nur die Hüte gegessen. Roh ist er giftig. Auch gekocht wird er nicht von allen Menschen vertragen. Maronenröh­rling Sein gewölbter, dunkelbrau­ner Hut erinnert an eine Esskastani­e. Stoppelpil­z Trotz seiner nadelfeine­n Stacheln ist er dank seines festen Fleisches sehr schmackhaf­t. Und man kann ihn kaum verwechsel­n.

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