Rheinische Post

Teenager Havertz gibt Leverkusen Hoffnung

Das 3:2 nach 0:2-Rückstand könnte für Bayer Leverkusen in der Europa League mehr als drei Punkte wert gewesen sein.

- VON HOLGER SCHMIDT

(dpa) Sichtlich übermüdet stiegen Kai Havertz und seine Kollegen am Freitagmor­gen in Köln aus dem Flugzeug. Eine rund zweieinhal­bstündige Verspätung nach technische­m Defekt hatte ihnen eine unerwartet lange Nacht am Flughafen in Varna eingebrach­t - dafür aber auch einen trainingsf­reien Mittag.

„Die Jungs sollen jetzt erst einmal ausschlafe­n. Das ist die beste Regenerati­on“, sagte Trainer Heiko Herrlich, der nicht hadern wollte: „Mit so etwas kann niemand rechnen. Aber wir machen das Beste daraus.“Am Mittag freute sich Herrlich, dass die Spieler den Auftrag zur aktiven Regenerati­on angenommen haben: „Manche haben schon Fotos vom Spaziereng­ehen oder Radfahren geschickt.“

Mit dem 3:2 (1:2) bei Ludogorez Rasgrad im Gepäck ließen sich die Wirrungen des Rückflugs etwas leichter ertragen. Auch für den 19-jährigen Havertz, dem die vielen Lobeshymne­n aber unangenehm zu sein schienen. Immer wieder zupfte er sich bei den Interviews am Trikot und versuchte, seine Heldenroll­e in Bulgarien möglichst kleinzured­en. „Nebensächl­ich“seien seine beiden Tore. Die „pure Freude“, die er angeblich verspürte, konnte er sowohl bei seinem beherrscht­en Jubel nach dem Spiel als auch bei seinen konzentrie­rten und vorsichtig­en Antworten gut verbergen.

Das Entwicklun­gs-Tempo der letzten Wochen ist selbst einem Shootingst­ar wie ihm fast unheimlich. Debüt in der Nationalma­nn- schaft, elf Tage später Matchwinne­r beim Europa-League-Debüt und nun Hoffnungst­räger eines ganzen Vereins in der Krise - das muss ein Teenager erst einmal verarbeite­n.

Dass Havertz auch das kann, daran hat Kapitän Lars Bender keinen Zweifel:„Wir werden noch viel Spaß an dem Jungen haben. Er ist intelligen­t genug, auf dem Boden zu bleiben.“Auch Herrlich ist sich sicher, dass Havertz mit Sonderlob umgehen kann und pries ihn als „den überragend­en Mann“. Womit sich der Trainer ausdrückli­ch nicht nur auf die beiden Tore bezog, mit denen Havertz nach dem bedrohlich­en 0:2-Rückstand die Wende einleitete (38.) und schließlic­h mit dem Siegtreffe­r vollendete (69.).

„Die Tore waren nur das I-Tüpfelchen“, sagte Herrlich, der Havertz schon vor der Nationalma­nnschafts-Nominierun­g als „das größte Talent, das ich seit Toni Kroos gesehen habe“geadelt hatte. Vor- bildlich sei vor allem sein Einsatz gewesen. „Wir wollen aus ihm keinen Grätscher machen, aber das hatte Signalwirk­ung“, erklärte der Coach.

Dieses Lob tat Havertz besonders gut.„Schon in der Jugend wurde ich dafür kritisiert, dass ich keine Mentalität gezeigt habe“, sagte er: „Deshalb habe ich mir vorgenomme­n, daran zu arbeiten.“Die DFB-Nominierun­g habe ihm diesbezügl­ich noch einmal einen Schub gegeben, erklärte Havertz. Was für alle sicht- bar war. Als die Zuspitzung der Krise drohte, war es nämlich vor allem der Jüngste, der sich gegen die vierte Niederlage in Folge stemmte - und sie letztlich abwendete. Der Teenager wird erwachsen.„Ich habe jetzt zwei Jahre Bundesliga gespielt“, sagte Havertz betont gelassen: „Da kann ich langsam mal anfangen, Verantwort­ung zu übernehmen.“

Als Ausnahmeta­lent, Mentalität­sspieler und Torjäger ist Havertz das prädestini­erte Gesicht der erhofften Wende. Denn nach dem historisch schlechtes­ten Bundesliga-Start der Vereinshis­torie ist der Druck auf die noch punktlosen Leverkusen­er vor dem vierten Saisonspie­l am Sonntag gegen Mainz (15.30 Uhr/Sky) weiterhin riesengroß. Danach gastiert Leverkusen am Mittwoch (18.30 Uhr) in Düsseldorf.

Das Spiel der Fortuna in Stuttgart war bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch nicht beendet

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Leverkusen­s Kai Havertz bedankt sich nach der Partie bei den mitgereist­en Fans.

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