Vom Medaillen-Regen in die Traufe
Fünfmal Edelmetall holt die deutsche Equipe zum Abschluss der Weltreiterspiele in den USA. Der sportliche Erfolg kann aber nicht über das ansonsten chaotische Turnier mit ungewisser Zukunft hinwegtäuschen.
TRYON (sid/dpa) Nach einer weiteren Traumrunde gab es für Simone Blum kein Halten mehr. Als letzte Starterin ritt die 29 Jahre alte Springreiterin ins WM-Finale – und sicherte sich im US-amerikanischen Tryon mit einer famosen Runde die Gold-Medaille. Auf ihrer Stute Alice feierte sie am Sonntag den ersten deutschen Einzel-Erfolg seit 1994. „Jaaaaaa“, schrie sie immer wieder und riss die Arme hoch.
Fünf Mal war die Reiterin aus dem bayerischen Zolling bei ihrem WM-Debüt ohne Abwurf geblieben, das schaffte sonst niemand. „Das ist Wahnsinn, wie sie das nach Hause geritten hat“, sagte Bundestrainer Otto Becker. „Das ist der Hammer, unglaublich. Sie ist eine würdige Weltmeisterin.“
Es war nicht die erste Medaille für Blum bei dieserWM. Schon am Freitagabend holte sie gemeinsam mit dem Team Bronze im Springreiten – auch dank ihrer überragenden Leistung.
Marcus Ehning rettete als letzter deutscher Reiter mit einer fehlerfreien Runde auf Pret A Tout die Medaille. Mit Bronze war der Team-Weltmeister von 2010 „am Ende mehr als zufrieden. Es hätte Gold sein können, aber es hätte auch anders ausgehen können.“Lob gab es vom Routinier für die drei WM-Neulinge Blum, Laura Klaphake und Maurice Tebbel. „Die haben das verdammt gut gemacht. Es war schon eine Zitterpartie, weil alles neu war“, sagte Ehning:„Am Ende haben die das super nach Hause gebracht.“
Auch die deutschen Voltigierer haben zum Abschluss ihrer Wettkämpfe für einen Medaillen-Regen aus zweimal Gold und einmal Silber gesorgt. Am Samstag siegte Kristina Boe in der Einzelwertung der Frauen vor Janika Derks. Schon im Wettbewerb der Gruppen gab es einen Sieg für die deutsche Equipe. Das Team sicherte sich souverän die Goldmedaille vor den Mannschaften aus Österreich und der Schweiz.
Trotz dieser sportlich positiven Nachrichten, bleibt ein fader Beigeschmack. Denn die chaotischen Weltreiterspiele in Tryon stellen das gesamte WM-Konzept zur Diskussion. „Das ist ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt für jeden Veranstalter“, sagte Sport-Geschäftsführer Dennis Peiler von der Deutschen ReiterlichenVereinigung (FN) am Rande derWM in North Carolina: „Bislang gab es nur die Weltreiterspiele 2006 in Aachen, die das stemmen konnten. Die anderen Ausrichter hatten richtige Probleme oder sind pleite gegangen.“
Tryon reiht sich da nahtlos ein. Laut Organisatoren stünde nach der WM im besten Fall finanziell die Null. Wahrscheinlicher sind Verluste von bis zu 1,5 Millionen Dollar. Mögliche Ausrichter für die Zukunft schreckt das ab. Für die nächste Ausgabe in vier Jahren gibt es noch keine Bewerbung. Schon die diesjährigen Spiele fanden nur statt, weil Tryon 2016 kurzfristig für das finanziell überforderte kanadische Städtchen Bromont einsprang.„Vielleicht
müssen wir das Format anpassen“, räumte Präsident Ingmar de Vos vom Weltverband FEI ein.
Dass Tryon den Dimensionen nicht gewachsen war, zeigte sich vielerorts – ob durch fehlende Unterkünfte, ausbleibende Zuschauer oder baustellenartige Zustände. Negativer Höhepunkt war ein katastrophal organisierter Distanzritt, bei dem eine Tragödie nur knapp durch einen Abbruch verhindert wurde. 53 völlig erschöpfte Pferde in der Tierklinik und zwei tote Pferde während des Turniers, zeichneten ein schreckliches Bild für den Reitsport. „Die Weltreiterspiele in Tryon“, sagte Peiler deshalb, „gehen sicherlich nicht als beste in die Geschichte ein.“Vielleicht dafür als letzte ihrer Art.
„Die Weltreiterspiele in Tryon gehen sicherlich nicht als beste in die Geschichte ein“Dennis Peiler Deutsche Reiter-Vereinigung