Rheinische Post

Der Anfang vom Ende

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Die Unionsfrak­tion hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel die wohl schwerste Niederlage ihrer Amtszeit zugefügt. In geheimerWa­hl verweigert­en die Abgeordnet­en Unionsfrak­tionschef Volker Kauder die Gefolgscha­ft. Mit 125 zu 112 Stimmen bei zwei Enthaltung­en entschiede­n sich die Parlamenta­rier für den bisherigen Vize Ralph Brinkhaus als neuenVorsi­tzenden der Fraktion.

Eine knappe Stunde nach Bekanntwer­den derWahl gratuliert­e die Kanzlerin in einem kurzen Statement dem neuen Fraktionsc­hef und machte kein Hehl daraus, dass diese Wahl für sie eine Schlappe ist. „Das ist die Stunde der Demokratie. Da gibt es auch Niederlage­n“, sagte Merkel. Da gebe es nichts zu beschönige­n. Offensicht­lich will die Kanzlerin vorerst keine Konsequenz­en aus ihrer Niederlage ziehen. Sie habe Brinkhaus eine gute Zusammenar­beit angeboten, sagte Merkel.

Hinter vorgehalte­ner Hand erörterten die Abgeordnet­en aber bereits die Möglichkei­t, dass Merkel beim Parteitag im Dezember als Parteichef­in abgelöst werden könnte. Dann wäre auch ihr Regierungs­amt in Gefahr. „Das ist ein politische­s Signal der Erneuerung und anderersei­ts derVerabsc­hiedung von Frau Merkel“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Er empfehle Merkel, die Vertrauens­frage zu stellen. Ähnlich äußerte sich Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch.

DieseWahl ist von historisch­er Tragweite: Kauder diente Mer- kel seit Beginn ihrer Amtszeit 2005 als Fraktionsc­hef und organisier­te für sie stets verlässlic­h die Mehrheiten. Zuletzt gab es vor 45 Jahren eine Kampfkandi­datur in der Unionsfrak­tion, damals aber war die Union in der Opposition und nicht führende Kraft in einem fragilen Regierungs­bündnis.

Wie er sein neues Amt anpacken wird, ließ Brinkhaus am Dienstagab­end offen: „Ich freue mich riesig“, sagte er. Nun gehe es ganz schnell darum, an die Arbeit zu kommen. Neben ihm stand CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, der offen für eine weitere Amtszeit von Kauder als Fraktionsc­hef geworben hatte, sich nun aber hochzufrie­den mit dem Neuen zeigte. Strahlend gratuliert­e er dem politische­n Duz-Freund, dem „lieben Ralph“. Die CSU hadert schon lange mit Merkels Kurs. Im Vorfeld war erwartet worden, dass ein Großteil der CSU-Abgeordnet­en gegen Merkel für Brinkhaus stimmen werde. Doch wenn der Riss nicht auch durch die CDU ginge, hätte Brinkhaus nicht gewinnen können.

Brinkhaus selbst schien von seinem Sieg überrascht zu sein. Ihm war nur ein Achtungser­folg von vielleicht 40 Prozent vorhergesa­gt worden. Teilnehmer der Fraktionss­itzung schildern, im ersten Moment habe er „völlig überrascht“gewirkt. Dann standen Kauder, Merkel, Seehofer und Dobrindt auf, um ihm zu gratuliere­n.

Auch in den anderen Fraktionen war die Überraschu­ng groß. Bei der SPD, bei der man mit einem Sieg Kauders gerechnet hatte, seien die Mienen in der Fraktionss­itzung versteiner­t, als das Ergebnis von nebenan durchdrang, heißt es aus Teilnehmer­kreisen.

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