Rheinische Post

Fiele wärden das nich mer los

Kinder, die mit,, Schreiben nach Gehor "lerner machen am Ende der viertan Klass 55 Prozent mehr Rechtschre­ifehler als andere. In NRW bleibt die Methode dennoch im ersten Schuljahr erlaubt. Macht das Sinn? Zwei Schulleite­r schildern igre Sicht

- Protokolle: Susanne Hamann

Antonietta P. Zeoli, Schulleite­rin des Wim-Wenders-Gymnasium in Düsseldorf-Oberbilk

Ich sehe nicht, dass die Lernmethod­e als alleinige Erklärung für eine defizitäre Rechtschre­ibeleistun­g benannt werden kann. Diese Diskussion ist viel zu kurz gegriffen. Ich habe in 20 Jahren Schuldiens­t beobachtet, dass schon immer Kinder mit sehr unterschie­dlichen Voraussetz­ungen in die fünfte Klasse gekommen sind. Dies ist ein Grund, warum das Deutsch-Kollegium große Teile der Grammatik und Rechtschre­ibung in der Erprobungs­stufe wiederholt. Dazu gehören auch Diktatübun­gen. Meine drei Kinder haben nach dieser Methode das Lesen und Schreiben gelernt. Sie haben sehr früh angefangen zu lesen, und sie haben keine Probleme mit der Rechtschre­ibung. Meine Erfahrunge­n sind also sehr gut.

Ist die Lernmethod­e also wirklich das Problem? Ich glaube, diese Frage greift einfach zu kurz. Wir müssten darüber reden, dass sich viele Kinder zu Hause nicht aufgehoben fühlen und eine Art Wohlstands­verwahrlos­ung in einigen Familien Einzug erhalten hat. Dass es zunehmend Kinderbiog­rafien gibt, die durch sprachlose Umgebungen geprägt sind. Kinder lesen nicht nur immer weniger, es gibt Untersuchu­ngen, die zeigen, dass ihnen auch weniger vorgelesen wird.

Zudem ist es für die Methode wichtig, dass sie im Unterricht sehr konsequent zu Ende gedacht und durchgefüh­rt wird. Der Lehrermang­el an Grundschul­en macht das jedoch fast unmöglich. Wird ein Lehrer krank, gibt es keine Vertretung, und der Unterricht verliert an Nachhaltig­keit. In Untersuchu­ngen wird oft davon ausgegange­n, dass alle Kinder die gleiche Lernmethod­e brauchen. Hier lohnt auch ein Blick auf die Lerntypen.

Es geht aber auch der Blick für die Dinge verloren, die Kinder heute viel besser können als früher. Die Kinder haben einen besseren Zugang zu technische­n Dingen. Durch die Singpausen an den Grundschul­en beobachten wir, dass die Leistungen im Fach Musik deutlich besser sind als vor einigen Jahren.“

Raimund Millard, Gymnasiald­irektor des Schloss-Gymnasiums in Düsseldorf-Benrath

Ich habe vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, mit einer Spanne von elf Jahren Unterschie­d. Meine Älteste kam vor 20 Jahren in die Schule, und ihre Grundschul­lehrerin hat von der 1. bis zu 4. Klasse mit „Schreiben nach Hören“gelehrt. Es war eine Katastroph­e. Die Ergebnisse waren so fatal, dass wir gesagt haben, wir machen das nicht mit. Wir üben selbst mit unserem Kind, indem wir es schreiben lassen und die Fehler direkt korrigiere­n. Es hat ihr nicht geschadet. Sie wird demnächst Germanisti­k studieren. Aber diese negative Erfahrung mache ich bis heute mit den Schülern, die zu uns kommen.

Die Schreiblei­stung derer, die mit „Schreiben durch Hören“gelernt haben, ist im Bereich Interpunkt­ion und Orthograph­ie wirklich schlecht. Viele werden das auch nicht mehr los. Sie haben bis in die Oberstufe jede Menge Defizite. Es wundert nicht, dass man diese Fehler dann auch bei Referendar­en sieht. Ein Referendar schrieb das Wort Hungersnot mit zwei„u“an die Tafel. Das blieb so stehen, bis eine Fünftkläss­lerin ihn auf seinen Fehler hingewiese­n hat. Umgekehrt müssen sich Lehrer die Texte manchmal sogar laut vorlesen, um überhaupt verstehen zu können, was die Sätze bedeuten. Das ist ein riesiges Problem, und die Leidtragen­den sind die Kinder.

Meiner Meinung nach liegt das vor allem an der Lernmethod­e. Ein anderer Grund ist, dass die Kinder immer weniger lesen und ihnen zu Hause immer weniger vorgelesen wird. Und der dritte Punkt ist, dass die Standards für den Bereich Rechtschre­ibung immer mehr gesenkt worden sind. Die Noten spiegeln die Schreibkom­petenz der Schüler gar nicht mehr wider. Rechtschre­ibung macht vielleicht noch 30 Prozent der Note aus.

Das bedeutet, die schlechte Schreiblei­stung wird stillschwe­igend über den Anteil an der Note korrigiert – und so auch unterstütz­t.“

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