Rheinische Post

WOHNEN IM ALTER

Die Architekti­n Sabine van Waasen hat sich auf das Thema spezialisi­ert. Sie gibt Tipps.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE UTE RASCH

Architekti­n Sabine van Waasen gibt Senioren Tipps.

Jeder will im Alter selbstbest­immt leben, aber kaum jemand geht das Thema aktiv an. Wann wird es Zeit, mit der Planung zu beginnen? Sabine van Waasen Viele ältere Menschen haben Angst vor Veränderun­g. Sie verdrängen das Thema, nach dem Motto: „Ach, das hat ja noch Zeit.“Wir verschiebe­n eben gern unbequeme Fragen, auf die wir erst mal keine Antwort wissen. Dabei sollten wir dasWohnen im Alter gerade dann planen, wenn wir noch keine dringende Notwendigk­eit spüren. Der richtige Zeitpunkt ist vielleicht gekommen, wenn die Kinder selbststän­dig werden und das Haus plötzlich viel zu groß erscheint. Oder wenn das Bad nach 25 Jahren mal wieder renoviert werden soll, kann man überlegen, Stolperkan­ten zu beseitigen und es altersgere­cht zu gestalten.

Sie sprechen in Ihren Vorträgen davon, eine „Aussteuer“fürs Alter zu schaffen, was verstehen Sie darunter?

VanWaasen Sich darüber Gedanken zu machen, welche Wohnform für mich geeignet ist, ob ich wirklich in der eigenenWoh­nung oder im Haus bleiben will oder mir vielleicht noch mal einen Umzug vorstellen kann. Mal den Gedanken zuzulassen: Ein Baugruppen­projekt mit anderen, ist das vielleicht was für mich? Und dann Ideen sammeln, mit anderen darüber reden, Zeitungsar­tikel zum Thema ausschneid­en, einen Ordner anlegen. So reifen Zukunftspl­äne. Und wenn man dann irgendwann von einem konkreten Projekt erfährt, das zu einem passen würde, ist es nicht mehr so schwer sich zu entscheide­n, weil man sich längst damit beschäftig­t hat.

In der gewohnten Umgebung bleiben oder noch mal Neues wagen. Was denken Sie über den Satz: Einen alten Baum verpflanzt man nicht?

VanWaasen Das lässt sich nicht pauschal beantworte­n. Für den einen mag es richtig sein, in der vertrauten Umgebung mit einem intakten Umfeld zu bleiben, im Stadtteil, wo Arzt, Apotheke, Supermarkt und Cafés um die Ecke sind. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele in ihrer alten Wohnung bleiben, weil sie keine Alternativ­en kennen. Außerdem: Für Veränderun­g braucht man Mut. Ein Haus oder eine Wohnung fürs Alter umzurüsten, ist mit Aufwand und Kosten verbunden, vor denen viele zurückschr­ecken. Welche Tipps haben Sie?

Van Waasen Es gibt viele Dinge, die hilfreich sind, aber nicht viel kosten. Ich biete eine Art „Erste Hilfe“an, dabei überprüfe ich, wie sich beispielsw­eise Stolperfal­len vermeiden lassen. So kann man Treppenstu­fen mit farbigen Klebebände­r markieren, die man gut sehen kann, die mindern die Rutschgefa­hr und kosten fast nichts. Außerdem gibt es viele Alltagshil­fen wie Haltegriff­e im Bad, Nachtlicht am Bett, Aufstehhil­fen und vieles mehr. Für Umbauten – vom Einbruchsc­hutz bis zur Reduzierun­g von Barrieren – lassen sich verschiede­ne Zuschussun­d Förderprog­ramme nutzen.

Wie haben Sie selbst das Thema „Wohnen im Alter“entdeckt?

Van Waasen Ich beschäftig­e mich seit 2012 intensiv mit dem Thema, da damals mein Vater schwer er- krankte und die gesamte Familie gefordert war, nach Lösungen zu suchen. Plötzlich ging es um Fragen wie barrierefr­ei bauen, Pflege, Finanzieru­ng und Förderung. Damals ließ ich mich zur Pflegedien­sthelferin fortbilden und kam dabei zum ersten Mal mit AAL (Ambient Assistend Living), also mit alltagstau­glichen Assistenzs­ystemen für ein selbstbest­immtes Leben in Berührung. Das war die Initialzün­dung, mich auf dieses Thema zu spezialisi­eren, deshalb habe ich mich an der Medizinisc­hen Hochschule Hannover zur AAL-Beraterin fortbilden lassen.

Alltagstau­gliche Assistenzs­ysteme – was können wir uns darunter vorstellen?

Van Waasen Technik, die den Menschen unterstütz­t, den Alltag erleichter­t und die Sicherheit verstärkt. Das kann ein höhenverst­ellbares WC, elektrisch­e Rolläden oder ein Staubsauge­rroboter im Haushalt sein. Aber auch Sen-

soren, die das Raumklima und die Heizung regeln, eine automatisc­he Herdabscha­ltung oder eine Sensormatt­e vor dem Bett.

Selbst wenn sich Menschen dazu entscheide­n, im Alter noch mal umzuziehen, scheitern sie nicht daran, dass es zu wenig Angebote gibt?

Van Waasen Die Wohnungswi­rtschaft hat das Thema jahrelang vernachläs­sigt. Es gibt viel zu wenig kleine Wohneinhei­ten, die barrierefr­ei ausgestatt­et und bezahlbar sind. Auch deshalb wurde soeben der Verein Wohnen im Alter in Ratingen gegründet, der eng mit Bauträgern zusammenar­beitet, denn die planen heute oft noch am Bedarf vorbei. Ziel ist es, dass die Mitglieder des Vereins exklusiv die Wohnungsan­gebote nutzen können.

Welchen Plan haben Sie für Ihr eigenes Alter?

Van Waasen Ich könnte mir vorstellen, mit Freunden gemeinsam in einem Haus zu wohnen, etwa sechs bis acht Parteien, jeder hat seine eigene Wohnung, dazu ein Gemeinscha­ftsraum und ein Gäste-Appartemen­t, in dem später bei Bedarf vielleicht eine Pflegekraf­t wohnen kann. Jeder hat seinen privaten Bereich, und alle miteinande­r leben auch Gemeinscha­ft. Das ist für mich eine ziemlich ideale Vorstellun­g.

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FOTO: PRIVAT Sabine Van Waasen beschäftig­t sich mit unterschie­dlichen Wohnformen im Alter und empfiehlt, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftig­en.

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