Rheinische Post

Austritt ist keine Alternativ­e

Wer die katholisch­e Kirche ändern will, muss sie stärken.

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Deutschlan­d scheint Anlauf in den Herbst zu nehmen, in die dunkle Jahreszeit, in eine Zeit zum Nachdenken. Früher hätte man vielleicht Besinnung gesagt. Genau die könnte jetzt die gebotene Haltung als Reaktion auf das sein, was zu Beginn der Woche in Fulda bekannt gegeben wurde: die vielen sexuellen Missbrauch­sfälle an Minderjähr­igen durch katholisch­e Priester. Das unfassbare Vergehen ist seit wenigstens acht Jahren auch hierzuland­e bekannt. Die neue Studie hat nun aber das Ausmaß der schockiere­nden Übergriffe benannt, zumindest halbwegs, denn von einer größeren Dunkelziff­er gehen inzwischen auch die Bischöfe aus. Die Wut über den Kindesmiss­brauch und die Empörung auch über den Missbrauch des Weiheamtes waren und sind groß. Alles andere wäre schlichtwe­g unbegreifl­ich gewesen. Dem Schock aber muss Besinnung folgen. Die Bischöfe haben noch in Fulda sieben Punkte ihres weiteren Handelns benannt. Doch zu viele Formalien sind darunter, Verbesseru­ngsvorschl­äge für Kontrollen, Personalak­ten, Opferbetre­uung. Dieser erste Plan ist dementspre­chend auf wenig Zustimmung gestoßen. Eine neue Welle von Kirchenaus­tritten scheint zu drohen. Das wäre eine schnelle Reaktion, die lediglich dem Impuls der Wut geschuldet ist. Doch eine Antwort ist das nicht und erst recht keine Lösung. Christlich­er Glaube ereignet und vollzieht sich stets in der Gemeinscha­ft. Die Kommunion, in der nach katholisch­em Verständni­s die größte Nähe zu Jesus erlebt wird, ist ein Gemeinscha­ftsmahl. Die Enttäuschu­ng über das Verhalten selbst jener, denen die Sakramente anvertraut wurden, kann nicht die Gemeinscha­ft infrage stellen. Eine Abkehr bewirkt nichts. Sie schwächt die Gemeinscha­ft. Wer etwas zum Guten ändern will, muss den Willen und die Kraft aufbringen, sie zu stärken.

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LOTHAR SCHRÖDER

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