Der erste Popautor: Jörg Schröder in Bibabuze
Als „Bombe im gelben Umschlag“bezeichnete die „Zeit“einst Jörg Schröders „Siegfried“. 1972, als das Buch erstmalig erschien. Der Autor nahm darin kein Blatt vor den Mund, schilderte sein Libertin-Leben zwischen Suff und Puff. Schröder war damals Leiter des legendären März-Verlags, dessen knallgelbe Ausgaben in den 1970 und -80er Jah- ren in allen Regalen standen. Den anspruchsvollen Literatur-Untergrundverlag, in dem unter anderem Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Rainer Rygulla ihr Buchmanifest „ACID“veröffentlichten, finanzierte Schröder mit den Einnahmen aus der Olympia Press, dem ersten Porno-Verlag Deutschlands.
Im Buch „Siegfried“nun plauderte er aus dem Nähkästchen, verriet all jene Betriebsgeheimnisse und privaten Details, die sonst immer unter der Oberfläche bleiben – und er nannte Klarnamen. Das brachte dem Buch zahlreiche Prozesse ein, es erschienen eine Reihe weiterer Auflagen, jede mit neuen Schwärzungen, die durch Gerichtsurteile erwirkt wurden.
Nun gab sich Schröder kurz vor seinem 80. Geburtstag im Buchlanden Bibabuze die Ehre. Anlass war eine Neuausgabe des„Siegfried“im Schöffling-Verlag – das ursprüngliche Manuskript ist hier um eine umfängliche Schröder-Biographie in Bildern und Zitaten bereichert, die Barbara Kalender zusammengestellt hat. Schröder präsentierte die pikanten Anekdoten seines „Siegfried“, Kalender lieferte Hintergründe und amüsante Details. Kundig eingeleitet und moderiert wurde der Abend vom Lektor und Übersetzer Ulrich Faure. So erfuhr man, dass Rainald Goetz Schröder „die exemplarische bundesrepublikanische Figur“genannt hat. Da ist etwas dran. Denn niemand sonst dürfte so sehr die westdeutsche 68er-Generation in der Literatur- undVerlagswelt verkörpern wie Jörg Schröder.
Und ein Popautor – davon durften sich die Zuhörer bei Bibabuze überzeugen – war er auch, lange bevor es diesesWort überhaupt gegeben hat.