Wenn Angst zu vorlaut wird
Es gibt gute Gründe, Angst zu haben. Wir verdanken unserer Angst, dass wir leben, sie bewahrt uns davor, uns zu weit über das Geländer zu lehnen, oder ohne zu gucken, eine befahrene Straße zu überqueren.
Das Problem mit der Angst beginnt, wenn sie zu vorlaut wird. Wenn sie sich immer wieder mit Einwänden meldet – nicht weil etwas, was man vorhat, leichtsinnig oder lebensgefährlich wäre, sondern weil sie vor den Kosten einer Entscheidung schützen will: vor schmerzhaften Abschieden, vor der Gefahr zu scheitern. Ja, wenn sie uns um jeden Preis vor unserer Verwundbarkeit schützen will. In Konflikten etwa, wir riskieren ungern die Nestwärme.
Wenn Angst unser Leben bestimmt, verplempern wir es. Gehen dem aus demWeg, was dran ist: dem offenen Gespräch mit dem Freund, der so laut tönt und Dinge vertritt, die ich falsch finde. Oder da merke ich, dass etwas gefährlich ins Rutschen kommt im Land, aber sage mir: Ich will mein Leben nicht belasten dadurch, dass ich mich einmische.
Diese so vorlaute Angst macht unglücklich, denn sie behindert und nagt an der Haltung, die einem sinnerfüllten Leben zugrunde liegt: die Fähigkeit, berührbar zu bleiben. Die Fähigkeit, das Leben hier und jetzt zu uns sprechen zu lassen.Wofür stehst Du? Was ist Dir wirklich wichtig?
Unsere Kultur beruht doch auf der richtigen Ermutigung des Schönen, Wahren, Guten – und der Entmutigung des Destruktiven, Menschenfeindlichen, Zügellosen.Was hindert Menschen daran, dafür einzutreten? Gleichgültigkeit oder Angst? Beides ist unangemessen. Berührbar zu bleiben ist ein Schlüssel.
Als Christen glauben wir, dass Gott selbst berührbar bleibt. Er ist gerade nicht zuallererst in Glück und Erfolg zu finden. Einer, der jahrelang selbst als geistlicher Berater für andere gearbeitet hatte, berich- tet davon, dass er erst seine eigene Unvollkommenheit und Verletzlichkeit schmerzhaft spüren musste, um selbst aus der Quelle zu trinken, die er anderen gewiesen hatte: dass Glaube nicht aus eigener Kraft und Leistung besteht, sondern aus Angenommensein.
Unser Glaube macht uns nicht unverletzlich, wir werden nicht vor allen schwierigen Erfahrungen verschont.Wer Ja dazu sagen lernt, dass Scheitern, Verwundungen und Verletzungen zum Leben gehören, der kann mutig die vorlaute Angst bändigen und eintreten für das, was nottut. Nimm dein Herz in die Hand und fürchte Dich nicht zu sehr.