Rheinische Post

„Grünen-Parteitag ist unverantwo­rtlich“

Die Fronten im Hambacher Forst sind verhärtet. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) wirft den Grünen vor, Öl ins Feuer zu gießen, weil sie dort ihren Parteitag abhalten wollen.

- DAS INTERVIEW FÜHRTEN THOMAS REISENER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Sie haben in der Sitzung des Innenaussc­husses Baumhausba­uern eine gewisse Mitschuld am tödlichen Unfall im Hambacher Forst gegeben. Das hat für mächtig Kritik gesorgt. Bleiben Sie dabei?

HERBERT REUL Fest steht, dass der junge Mann alleine auf die Hängebrück­e getreten ist. Polizei war jedenfalls nicht an diesem Baumhaus. Es müssen sich diejenigen fragen, die die Brücke gebaut haben: Haben wir da etwas falsch gemacht?

Wie haben die Aktivisten auf den Tod des Bloggers nach Ihrer Kenntnis unmittelba­r nach dem Ereignis reagiert? REUL

Wir haben Berichte von Polizeibea­mten vorliegen, die in der Nähe des Unglücksor­tes waren. Darin schildern die Beamten, dass noch während der Reanimatio­nsmaßnahme­n einige Baumhausbe­setzer mehrfach gerufen haben: „Scheiß drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr.“Das ist für mich unfassbar.

Wie ist die Lage im Hambacher Forst?

REUL Im Hambacher Forst werden Steine und Fäkalien auf Polizisten geworfen, es werden Gruben gegraben, die Menschen gefährden. Und dann wird mir erklärt: Das sei ziviler Widerstand. Das ist nicht akzeptabel. Ich würde mir sehr wünschen, wenn bei all den Regel- und Gesetzesve­rstößen die wichtigen politische­n Kräfte zusammenst­ehen und sagen, dass es so nicht geht. Wir müssen den Polizisten den Rücken stärken.

Die Grünen wollen ihren Parteitag am Hambacher Forst abhalten. Was halten Sie davon?

REUL Das ist unverantwo­rtlich. Sie gießen damit Öl ins Feuer. Die Grünen verlangen immer von der Polizei zu deeskalier­en. Und dann legen sie den Parteitag dorthin. Dafür fehlt mir jedes Verständni­s. Ich hoffe, dass sie diese Entscheidu­ng noch einmal überdenken.

Das regt Sie ganz schön auf …

REUL Ja. Der Parteitag stärkt ja auch denjenigen den Rücken, die imWald kriminell handeln. Egal ob gewollt oder ungewollt. Das spielt keine Rolle. Und ein Parteitag am Hambacher Forst wäre eine zusätzlich­e Einsatzbel­astung für die Polizei. Dabei geht es nicht um die Parteitags­teilnehmer, sondern um die, die die Gelegenhei­t nutzen, um gefährlich­e Gegenständ­e in den Wald und die Umgebung zu bringen. Selbst am vergangene­n Sonntag, bei der bürgerlich­en Demonstrat­ion, sind ja Tausende in den Wald gelaufen, entgegen der Polizeiwei­sung. Aber noch schlimmer: Ein Teil von ihnen hat sogar noch Barrikaden aufge- baut. Ich finde, das ist kein friedliche­s Demonstrie­ren. Das ist ein klarer Rechtsbruc­h.

Die Räumungsar­beiten schreiten gut voran …

REUL Es ist Gefahr im Verzug. Und daher mussten wir schnell handeln. Wir sind schon weit mit den Räumungen. Dass es so schnell geht, damit hatte ich nicht gerechnet. Im Oktober stehen wahrschein­lich die Rodungen an. Bis dahin muss der Wald mit vielen Kräften gesichert werden, damit die Extremiste­n keine neuen Baumhäuser errichten und keine gefährlich­en Gegenständ­e in den Wald bringen. In der Zwischenze­it hat es nach dem tragischen Unfalltod des Journalist­en aber auch einige wenige Besetzer gegeben, die freiwillig aus den Baumhäuser­n raus sind. Das finde ich gut.

Was halten Sie als Bürger und nicht als Innenminis­ter von der geplanten Abholzung?

REUL Der Bürger Herbert Reul hat eine klare Meinung. Wenn die Politik das so entschiede­n hat und am Schluss sogar mit Hilfe der Grünen, dann ist das für mich plausibel und vertretbar. Ich weiß, dass wir energiepol­itisch die Braunkohle noch eine Zeit lang brauchen. Faktisch weiß ich auch, dass der Wald nicht mehr zu retten ist, selbst wenn nicht gerodet werden sollte. Ich verstehe aber auch, dass man das anders bewerten kann.

Themenwech­sel. Sie haben gefordert, Gerichtsur­teile müssten das Empfinden der Bevölkerun­g berücksich­tigen, und das anschließe­nd bereut. Was haben Sie bereut? Dass Sie missversta­nden wurden, oder dass Sie das so gesagt haben?

REUL Was ich gemeint habe: Staatliche Institutio­nen müssen auch die Wirkung ihres Handelns berücksich­tigen. Das halte ich nach wie vor für richtig. Aber meine Formulieru­ng war so, dass sie den Eindruck erweckte, Richter sollten sich nach dem Volksempfi­nden richten. Das war falsch.

Warum hat die NRW-CDU Ralph Brinkhaus im Kampf um den Fraktionsv­orsitz im Bundestag nicht unterstütz­t?

REUL Brinkhaus hat den Landesverb­and nicht gefragt. Deshalb gab es keine Entscheidu­ngsnotwend­igkeit.

NRW-CDU-Chef Armin Laschet hat sich für Kauder ausgesproc­hen …

REUL … weil es keine zwingende Not dafür gab, Kauder auszutausc­hen. Ich gehöre auch zu denen, die gesagt haben, dass die Debatten der vergangene­n Wochen unnötig waren. Wir haben uns nur mit uns selbst beschäftig­t und nicht mit den Problemen der Menschen. Deshalb war ich auch für Kauder. Aber nicht, weil ich gegen Brinkhaus bin. Ich fand es unklug, in dieser Zeit zu wechseln.

Wird Armin Laschet der nächste Kanzlerkan­didat der CDU, und könnte er das?

REUL Bis zur nächsten Bundestags­wahl wird Frau Merkel Kanzlerin bleiben. Danach gibt es mehrere interessan­te Kandidaten. Und wer Ministerpr­äsident kann, kann auch Kanzler.

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