„Grünen-Parteitag ist unverantwortlich“
Die Fronten im Hambacher Forst sind verhärtet. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wirft den Grünen vor, Öl ins Feuer zu gießen, weil sie dort ihren Parteitag abhalten wollen.
Sie haben in der Sitzung des Innenausschusses Baumhausbauern eine gewisse Mitschuld am tödlichen Unfall im Hambacher Forst gegeben. Das hat für mächtig Kritik gesorgt. Bleiben Sie dabei?
HERBERT REUL Fest steht, dass der junge Mann alleine auf die Hängebrücke getreten ist. Polizei war jedenfalls nicht an diesem Baumhaus. Es müssen sich diejenigen fragen, die die Brücke gebaut haben: Haben wir da etwas falsch gemacht?
Wie haben die Aktivisten auf den Tod des Bloggers nach Ihrer Kenntnis unmittelbar nach dem Ereignis reagiert? REUL
Wir haben Berichte von Polizeibeamten vorliegen, die in der Nähe des Unglücksortes waren. Darin schildern die Beamten, dass noch während der Reanimationsmaßnahmen einige Baumhausbesetzer mehrfach gerufen haben: „Scheiß drauf, Räumung ist nur einmal im Jahr.“Das ist für mich unfassbar.
Wie ist die Lage im Hambacher Forst?
REUL Im Hambacher Forst werden Steine und Fäkalien auf Polizisten geworfen, es werden Gruben gegraben, die Menschen gefährden. Und dann wird mir erklärt: Das sei ziviler Widerstand. Das ist nicht akzeptabel. Ich würde mir sehr wünschen, wenn bei all den Regel- und Gesetzesverstößen die wichtigen politischen Kräfte zusammenstehen und sagen, dass es so nicht geht. Wir müssen den Polizisten den Rücken stärken.
Die Grünen wollen ihren Parteitag am Hambacher Forst abhalten. Was halten Sie davon?
REUL Das ist unverantwortlich. Sie gießen damit Öl ins Feuer. Die Grünen verlangen immer von der Polizei zu deeskalieren. Und dann legen sie den Parteitag dorthin. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Ich hoffe, dass sie diese Entscheidung noch einmal überdenken.
Das regt Sie ganz schön auf …
REUL Ja. Der Parteitag stärkt ja auch denjenigen den Rücken, die imWald kriminell handeln. Egal ob gewollt oder ungewollt. Das spielt keine Rolle. Und ein Parteitag am Hambacher Forst wäre eine zusätzliche Einsatzbelastung für die Polizei. Dabei geht es nicht um die Parteitagsteilnehmer, sondern um die, die die Gelegenheit nutzen, um gefährliche Gegenstände in den Wald und die Umgebung zu bringen. Selbst am vergangenen Sonntag, bei der bürgerlichen Demonstration, sind ja Tausende in den Wald gelaufen, entgegen der Polizeiweisung. Aber noch schlimmer: Ein Teil von ihnen hat sogar noch Barrikaden aufge- baut. Ich finde, das ist kein friedliches Demonstrieren. Das ist ein klarer Rechtsbruch.
Die Räumungsarbeiten schreiten gut voran …
REUL Es ist Gefahr im Verzug. Und daher mussten wir schnell handeln. Wir sind schon weit mit den Räumungen. Dass es so schnell geht, damit hatte ich nicht gerechnet. Im Oktober stehen wahrscheinlich die Rodungen an. Bis dahin muss der Wald mit vielen Kräften gesichert werden, damit die Extremisten keine neuen Baumhäuser errichten und keine gefährlichen Gegenstände in den Wald bringen. In der Zwischenzeit hat es nach dem tragischen Unfalltod des Journalisten aber auch einige wenige Besetzer gegeben, die freiwillig aus den Baumhäusern raus sind. Das finde ich gut.
Was halten Sie als Bürger und nicht als Innenminister von der geplanten Abholzung?
REUL Der Bürger Herbert Reul hat eine klare Meinung. Wenn die Politik das so entschieden hat und am Schluss sogar mit Hilfe der Grünen, dann ist das für mich plausibel und vertretbar. Ich weiß, dass wir energiepolitisch die Braunkohle noch eine Zeit lang brauchen. Faktisch weiß ich auch, dass der Wald nicht mehr zu retten ist, selbst wenn nicht gerodet werden sollte. Ich verstehe aber auch, dass man das anders bewerten kann.
Themenwechsel. Sie haben gefordert, Gerichtsurteile müssten das Empfinden der Bevölkerung berücksichtigen, und das anschließend bereut. Was haben Sie bereut? Dass Sie missverstanden wurden, oder dass Sie das so gesagt haben?
REUL Was ich gemeint habe: Staatliche Institutionen müssen auch die Wirkung ihres Handelns berücksichtigen. Das halte ich nach wie vor für richtig. Aber meine Formulierung war so, dass sie den Eindruck erweckte, Richter sollten sich nach dem Volksempfinden richten. Das war falsch.
Warum hat die NRW-CDU Ralph Brinkhaus im Kampf um den Fraktionsvorsitz im Bundestag nicht unterstützt?
REUL Brinkhaus hat den Landesverband nicht gefragt. Deshalb gab es keine Entscheidungsnotwendigkeit.
NRW-CDU-Chef Armin Laschet hat sich für Kauder ausgesprochen …
REUL … weil es keine zwingende Not dafür gab, Kauder auszutauschen. Ich gehöre auch zu denen, die gesagt haben, dass die Debatten der vergangenen Wochen unnötig waren. Wir haben uns nur mit uns selbst beschäftigt und nicht mit den Problemen der Menschen. Deshalb war ich auch für Kauder. Aber nicht, weil ich gegen Brinkhaus bin. Ich fand es unklug, in dieser Zeit zu wechseln.
Wird Armin Laschet der nächste Kanzlerkandidat der CDU, und könnte er das?
REUL Bis zur nächsten Bundestagswahl wird Frau Merkel Kanzlerin bleiben. Danach gibt es mehrere interessante Kandidaten. Und wer Ministerpräsident kann, kann auch Kanzler.