Ryanair steht wieder still
Der Billigflieger musste am Freitag mehr Flüge absagen als angekündigt. Andere Airlines wie Easyjet und Eurowings profitieren von der Unruhe.
DÜSSELDORF Die neuen Streiks bei Ryanair haben größere Folgen als von der Airline erwartet. Dies zeigte sich am Freitag, als der irische Billigflieger europaweit und in NRW mehr Flüge streichen musste als er am Donnerstag angekündigt hatte. So fiel kurzfristig am Nachmittag der um 15.25 Uhr geplante Flug von Düsseldorf nach Alicante (Spanien) aus – ebenso blieben Passagiere am Abend in Alicante sitzen, die dort auf ihre Heimkehr warteten.
In Weeze am Niederrhein war der Flughafen am Donnerstag davon ausgegangen, dass neun von 17 Abflügen ausfallen, tatsächlich kamen zwei Verbindungen nach Chania (Griechenland) und Palermo in Italien hinzu. „Da standen Leute enttäuscht am Abflugschalter“, heißt es.
In Köln-Bonn fielen acht Starts und acht Landungen aus – ursprünglich war man von der Hälfte an Stornierungen ausgegangen. „Die Kampfbereitschaft steigt“, sagt eine Verdi-Sprecherin.
Laut einer Flugplan-Auswertung des Portals Airliners.de hat die irische Gesellschaft 140Verbindungen von und nach Deutschland gestrichen. Das wären knapp 40 Prozent des üblichen Angebots – gerade in Berlin und Frankfurt fielen viele Flüge aus, wobei in Hessen am Montag die Herbstferien starten.
Europaweit wurden rund 250 Flüge laut Ryanair gestrichen. Das wären nur rund zehn Prozent des Angebots. Doch weil Ryanair sich weigert, Angaben zu konkreten Flugausfällen zu nennen, sind die Angaben nicht zu überprüfen.
Sicher ist dagegen, dass die Konkurrenz gewinnt. „Viele Passagiere buchen vorsorglich lieber bei Eurowings, Easyjet oder Condor“, sagt ein Branchenbeobachter, „weil sie nach nun mehrere Streiktagen weitere Flugausfälle befürchten.“
Teilweise füllt Ryanair selbst die Maschinen der Konkurrenz: Laut Homepage des Unternehmens erhalten Passagiere ausfallender Flüge zwar zuerst das Angebot eines Ersatzfluges mit Ryanair. Doch auch alternative Verbindungen über eine Reihe an Vertragspartnern seien denkbar. Diese seien Eurowings, EasyJet, Jet2, Vueling, CityJet, Aer Lingus und Norwegian.
Politiker der SPD, der Linken, der Grünen und der CDU äußerten ihre Solidarität mit den Streikenden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte bei einer Kundgebung in Berlin: „Deutschland ist keine Bananenrepublik. Wer Globalisierung zur Ausbeutung missbraucht, wie das bei Ryanair der Fall ist, muss unseren entschiedenenWiderstand haben.“Er übernahm eine „Patenschaft“für eine streikende Mitarbeiterin, nachdem die Gewerkschaft Verdi berichtet hatte, dass Ryanair streikende Mitarbeiter massiv unter Druck setzt. Heil: „Wer ihr was tut, kriegt es mit der deutschen Bundesregierung zu tun.“
Bei den Streiks in Deutschland, Italien, Belgien, Niederlande Spanien und Portugal geht es nicht nur darum, dass Piloten und Stewardessen höhere Löhne fordern. Ryanair hat in vielen Staaten noch überhaupt keinen Tarifverträge – oft werden Mitarbeiter nur als Leiharbeiter oder scheinbare Selbständige eingesetzt. Und während die Gewerkschaften die Arbeitskämpfe nutzen wollen, um Ryanair zu einem halbwegs normalen Unternehmen bei den Arbeitsbedingungen zu machen, taktiert Ryanair-Chef Michael O’Leary und versucht verbindlichen Verträgen auszuweichen.
Er unterstellt der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sogar, die Arbeitskämpfe indirekt im Auftrag von Lufthansa gegen Ryanair anzuzetteln, um sich die Konkurrenz so vom Halse zu halten.
Richtig daran ist, dass Lufthansa die schnell wachsende Ryanair als Hauptwettbewerber bei Kurzstrecken in Europa ansieht – also würde der europäische Marktführer es begrüßen, wenn Ryanair zu höheren Preisen gezwungen wird. Der Marktexperte Gerald Wissel sieht solche Hoffnungen nur als wenig berechtigt an: „Ryanair hat eine klare Wachstumsstrategie und hohe Gewinne. Also werden die auch et- was höhere Löhne verkraften können und trotzdem ihren Marktanteil ausbauen.“
Die Gewerkschaften bereiten bereits die nächsten Arbeitskämpfe vor. „Wir werden nicht locker lassen“, erklärt eine Verdi-Sprecherin. „Solange das Unternehmen nicht zumindest mit uns in einen Schlichtungsprozess geht, wird es weitere Streiks geben“, sagte VC-Verhandlungsführer Ingolf Schumacher. Den Piloten stehe keine andere Lösung zurVerfügung. „Wir wollen den Wandel des Unternehmens.“