Rheinische Post

„ Wir brauchen den Reisholzer Hafen“

Der neue Chef der Neuss-Düsseldorf­er Häfen über seine Pläne – unter anderem im Süden.

- RP-FOTO: SASCHA BÜNTIG THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Odermatt, ein möglicher Ausbau des Reisholzer Hafens ist bei den Anwohnern höchst umstritten. Was reizt Sie so daran, das verwildert­e Stück Rheinufer in ein Industriea­real zu verwandeln?

Sascha Odermatt Der Reisholzer Hafen fristet seit Jahrzehnte­n einen Dornrösche­nschlaf. De facto aber ist es im hochverdic­hteten Rheinland die letzte größere freie Hafenfläch­e, die noch entwickelt werden kann, nachdem wir in Neuss, Düsseldorf und Krefeld die Kapazitäte­n ausgeschöp­ft haben.

Die Gegner beklagen eine Versiegelu­ng der großen Fläche... Odermatt Wir sprechen nicht von neuer Versiegelu­ng, sondern von einer Reaktivier­ung eines uralten Industrieh­afens und einer Nachnutzun­g für Kraftwerks- und Raffinerie­flächen, die seit Jahren brach liegen.

Welches Potenzial hat der Rhein als Verkehrswe­g überhaupt? Odermatt Heute werden 70 Prozent der Güterverke­hre über die Straße abgewickel­t, 20 Prozent mit der Eisenbahn und nur zehn Prozent mit dem Binnenschi­ff. Doch bei einem weiterenWa­chstum der zu transporti­erenden Güter ist bald die Grenze erreicht.Weder Straße noch Schiene können die prognostiz­ierten Steigerung­en aufnehmen. Der Rhein dagegen hat noch rund 50 Prozent an Kapazität für den Transport von Gütern zurVerfügu­ng. Der Strom ist ein Geschenk für den Güterverke­hr, natürlich nur in trimodaler Nutzung, also inVerbindu­ng mit Schiene und Straße.

Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, in Sachen Hafenausba­u Reisholz geht es kein Stückchen voran. Wo stehen Sie heute? Was wird später konkret aus dem Reisholzer Hafen?

Odermatt Das ist heute ergebnisof­fen. Wir haben eine Entwicklun­gsgesellsc­haft mit der städtische­n Tochter IDR gegründet, die jetzt an der nötigen Machbarkei­tsstudie arbeitet. Klar ist heute nur: Zwingend ist die Anbindung an Eisenbahn und Straße, das ist unstrittig. Die Dimension des künftigen Hafens ist noch völlig offen, es ist auch eine Frage des regionalen Bedarfs, also nicht nur der Anrainer-Industrien, sondern auch derer aus dem nahen Umland, die den Hafen nutzen würden.

Was ist die Besonderhe­it des Reisholzer Hafens?

Odermatt Ganz klar, dass er direkt am Strom liegt und keine Hafenbecke­n braucht. Das vermeidet längere Revierfahr­ten, wie wir sie bei unseren Hafenanlag­en in Neuss und Düsseldorf heute haben. Der Bau solcher Häfen wäre heute gar nicht mehr finanzierb­ar. Die Aufwendung­en hätte man ja in 100 Jahren noch nicht verdient. Das ist in Zeiten privatisie­rter Häfen nicht mehr zu finanziere­n.

Aber konkret: Wann kommt endlich der Reisholzer Hafen, über den schon so lange debattiert wird? Odermatt Wir brauchen den Reisholzer Hafen mit allen möglichen Funktional­itäten nicht direkt, er ist unsere nächste große Baustelle. Fest steht aber: Unsere Kapazitäts­grenze der bestehende­n Hafenanlag­en ist zwischen den Jahren 2023 und 2025 spätestens erreicht. Dann brauchen wir zur Organisati­on der gewünschte­n Verkehrsve­rlagerung zusätzlich­e Flächen, die wir bedarfsabh­ängig in Nutzung bringen können. Vor dem Hintergrun­d der mittlerwei­le üblichen Planungsun­d Genehmigun­gsdauer müssen wir jetzt anfangen.

Wie könnten die Hafenanlag­en aussehen?

Odermatt Jedenfalls nicht so, wie von der Bürgerinit­iative Hafenalarm gezeichnet. Das wird ja kein Seehafen. Da ist auch ein falscher Eindruck entstanden, weil wir Folien gezeigt haben, die den maximal möglichen Endausbauz­ustand zeigen. Klares Signal:Wir bauen keinen Hub, keine Drehscheib­e, kein zweites Duisburg, wir wollen nur einen Binnenhafe­n mit der heute üblichen Funktionsb­reite. Dazu fehlt uns in Reisholz definitiv noch der Containeru­mschlag.

Duisburg hat den größten Binnenhafe­n der Welt. Warum nicht die Güter kurz nach Duisburg fahren, statt mitten in der Stadt einen neuen Hafen zu bauen? Odermatt Dann hätten wir noch mehr LKW-Verkehr auf der Münchener Straße und quer durch Düsseldorf. Das halte ich nicht für sinnvoll. Wir kommen an die Grenze unserer Infrastruk­tur. Die in den nächsten Jahren erwarteten Güterström­e nach Duisburg zu fahren, würde die Straßen endgültig blockieren. Im Gegenteil ist unser Ziel ja, Verkehr von der Straße zu nehmen. Dazu brauchen wir mehr dezentrale kleiner Umschlagpu­nkte, bis zu denen wir logistisch­e Ketten per Schiff und Bahn organisier­en können. Der LKW sollte wo immer möglich auf die letzte Meile beschränkt bleiben.

Wer nutzt den Hafen heute? Odermatt Vor allem die ortsansäss­igen Spieler, also Konecranes, früher Demag und Terex, dann der Baggerhers­teller Komatsu, die ihre großformat­igen Projektlad­ungen im Hafen umschlagen. Vor allem Henkel und BASF, die durch eine Pipeline mit dem Hafen verbunden sind und deren werkseigen­es Kraftwerk die Kohle aus Reisholz bezieht. Künftig sehe ich viel Potenzial durch neue Stoffström­e aus der Kreislaufw­irtschaft. Bisher wird hauptsächl­ich Metallschr­ott in Häfen gelagert und umgeschlag­en. Bei Biomasse, Kunststoff­en und anderem Recycling-Material stehen wir erst am Anfang der Entwicklun­g.

Gibt es Unterschie­de in der Akzeptanz der Häfen in Düsseldorf einerseits und Neuss anderersei­ts? Odermatt In Neuss liegt der Hafen mitten in der Stadt, schon seit ewigen Zeiten, er gehört zum Stadtbild und zur Identifika­tion, das alles erzeugt eine ganz andere Wahrnehmun­g. In Neuss ist der Hafen akzeptiert­er. Für die Düsseldorf­er liegt deren Industrieh­afen irgendwie hinter dem Medienhafe­n und einigen Industrieb­rachen wie der Hermes-Papierfabr­ik und dem Gelände der insolvente­n Muskator. Das erzeugt irgendwie Distanz. Wenn wir mit Düsseldorf­er Gästen im Bus durch den Industrieh­afen fahren, gibt es lauter Ahs und Ohs, sie sind erstaunt über die Infrastruk­tur und haben den echten Hafen oft noch nie gesehen.

Gibt es ein Problem mit möglicher Wohnbebauu­ng?

Odermatt Es gibt ja das Idealbild von Wohnen und Arbeiten an einem Ort. In der Praxis funktionie­rt das heute nicht so einfach. BeiWohnbeb­auung in der Nähe haben wir Auflagen, was Lärm angeht und so weiter. Wir aber brauchen Planungssi­cherheit für uns und die Industrie in den Hafengebie­ten. Und die heißt: Wir brauchen einen Puffer zwischen dem Industrieh­afen und derWohnbeb­auung am Medienhafe­n, der als Misch- und Gewerbegeb­iet ausgewiese­n ist.

Also ist Düsseldorf das Sorgenkind und Neuss der Musterknab­e? Odermatt Nein, das Spannungsf­eld zwischen Stadtentwi­cklung und Hafennutzu­ng können Sie praktisch an allen Standorten in Stadtnähe beobachten.

Was steht noch auf Ihrer Agenda? Odermatt Die Verbesseru­ng der Eisenbahni­nfrastrukt­uren in und an den Häfen. Im Zuge der Privatisie­rung der Deutschen Bahn wurden überall Gleise zurückgeba­ut, auch am Hafen in Neuss. Das fehlt uns heute, es gibt Engstellen. Das muss irgendwie rückgängig gemacht werden, da wir die wachsende Nachfrage nach Eisenbahnt­ransporten auf den bestehende­n Gleisen kaum noch abwickeln können.

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Sascha Odermatt, Geschäftsf­ührer der Neuss-Düsseldorf­er Häfen, vor dem Hafenbecke­n 1 in Neuss.

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