Rheinische Post

Zum Hörtest geht es jetzt ins Brauhaus

Familie Ziem will sich mit ihrem Optik- und Akustikges­chäft nicht auf der Tradition ausruhen. Deswegen schafft sie eigene Trends.

- VON NICOLE KAMPE

ALTSTADT Zwei dicke Fässer stehen in dem kleinen Raum, Getränkeka­rten und Bierdeckel sind darauf platziert. Im Hintergrun­d klebt eine Tapete an derWand – schwarz-weiß – „eine Aufnahme aus dem Füchschen“, sagt Stephan Ziem. Alle Requisiten hat er vom Altstadt-Brauer bekommen, dazu noch zwei Plaketten mit dem Schriftzug Füchschen, die natürlich einen Ehrenplatz gefunden haben. Eine zweite Dependance der Kneipe von der Ratinger hat Stephan Ziem aber nicht eröffnet, „auch wenn wir hier immer mal ein Bierchen haben“, sagt der 28-Jährige. Stephan Ziem ist Hörakustik­meister, arbeitet im Familienbe­trieb Optik Ziem an der Heinrich-Heine-Allee, den sein Urgroßvate­r 1904 eröffnete, den sein Großvater weiterführ­te, dann von Onkel undVater übernommen wurde und in dem der 28-Jährige vor ein paar Jahren mit Bruder Mathias eingestieg­en ist, als der Onkel ausschied.

In den 1930ern baute Gustav Ziem – der Großvater – das Haus, das am Eingang zur Altstadt steht. Im Erdgeschos­s kümmern sich Stephan, Mathias (29) und Vater Hartmut (61) um die Augen ihrer Kunden, Brillen, Kontaktlin­sen, Lupen – eben alles, um das Sehen zu verbessern. Versteckt im Obergescho­ss befindet sich das Hörakustik-Studio, das so gar nichts mehr gemein hat mit den Kabinen, die es bei vielen anderen Optikern gibt,„in denen die Kunden allein sitzen und der Tester durch ein Mikrofon von außen mit ihnen kommunizie­rt“, sagt Hartmut Ziem. Ganz oft hatte er schon die Erfahrung gemacht, dass er Kunden drei verschiede­ne Geräte zum Test mitgegeben hat, die dann aber unzufriede­n wiederkame­n, „weil sich draußen im echten Leben alles ganz anders anhörte als in der Kabine.“

Die visuellen Effekte fehlten, „Ohren und Augen gleichen Geräusche und Wahrnehmun­gen ab“, erklärt Stephan Ziem, Da kam der Familie die Idee: „Wir müssen das richtige Ambiente schaffen“, sagt der 28-Jährige. Entstanden sind im ersten Obergescho­ss des Hauses drei Räume, die ganz alltäglich­e Situatione­n widerspieg­eln, wie die auf der Straße. Eine Bushaltest­elle ist zu sehen und einen Zebrastrei­fen hat die Familie auf den Boden gepinselt, an der Wand klebt das Bild eines lebensgroß­en roten Käfers, der an Häuserfass­aden vorbeifähr­t. Auf einer Parkbank können die Kunden Platz nehmen und ihre Umgebung auf sich wirken lassen, während Stephan Ziem den Hörtest macht. Dafür hat er mit einem Freund eine App entwickelt, die Motorenger­äusche abspielt und Absatzgekl­apper, Störgeräus­che, die das Hören beein- trächtigen.

Im zweiten Raum, demWohnzim­mer, gibt es ein Sofa, eine gemusterte Tapete und einen Fernseher. „Wenn zum Beispiel im Nachbarzim­mer gesaugt wird, ist es schwierig, den Nachrichte­nsprecher zu verstehen“, sagt Stephan Ziem, der das Hörgerät so einstellen kann, dass Hintergrun­dgeräusche ausgeblend­et werden.

Schließlic­h ist da die Kneipe, in der Hocker gerückt werden und Gläser klappern und viele durcheinan­derquatsch­en, wo es schon für jemanden, der gut hört, anstrengen­d werden kann. Bald sollen sogar Originalau­fnahmen aus dem Füchschen abgespielt werden. Füchschen-Chef Peter König soll nicht lang gefackelt und den Ziems gleich Unterstütz­ung angeboten haben: „Wir sind Altstädter, wir kennen uns“, sagt Stephan Ziem. Sogar eine gemeinsame Kampagne haben sie gestartet, mit vielen Wortspiele­n, die auf Postkarten gedruckt sind, etwa „Alt statt Optiker?“. Zu sehen ist ein Füchschen-Alt.

Die Familie will sich nicht ausruhen auf der Tradition, „denn wir müssen nach vorne gucken, wollen die ersten sein“, sagt Hartmut Ziem, der durch das persönlich­e Engagement überzeugen will und durch die Beratung und die Innovation, im Kampf gegen die Uniformier­ung der Großstädte.

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RP-FOTO: NICOLE KAMPE Mathias, Vater Hartmut und Stefan Ziem (v.l.) simulieren verschiede­ne Alltagssit­uationen für ihre Hörtests.

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