CSU droht Debakel
Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union, ist alarmiert. Von Angela Merkel erwartet er „keine Worthülsen“.
KIEL Unter dem Eindruck des laut Umfragen drohenden Wahldesasters der CSU bei der bayerischen Landtagswahl hat der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Paul Ziemiak, die Union im Bund eindringlich zur Umkehr aufgerufen. „So kann es nicht weitergehen“, mahnte der 33-Jährige am Freitag in Kiel vor Beginn des dreitägigen sogenannten Deutschlandtages der Jugendorganisation von CDU und CSU.
Der Streit der Koalition im Bund, die nur um sich selbst zu kreisen scheine, habe den Parteien in den Wahlkämpfen für die Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober und in Hessen am 28. Oktober keinen Rückenwind gegeben. Jetzt gelte „volle Konzentration auf die Landespolitik“. Die Bilanz von CDU und CSU in den beiden Ländern sei gut. Normalerweise müssten Mütterparteien ihren Parteinachwuchs zur Sacharbeit ermahnen. In der Union sei das derzeit umgekehrt, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, der am späten Freitagabend wiedergewählt werden sollte. Ziemiak führt die JU seit 2014.
Zu dem Kongress mit rund 300 Delegierten und mehreren Hundert Gästen reist fast die gesamte Führungsspitze der beiden Schwesterparteien an. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Samstag auftreten. Ziemiak kündigte kritische Auseinandersetzungen mit allen Gastrednern an. Zur Aufgabe Merkels sagte er: „Wer Bundeskanzler sein möchte, muss auch immer bereit sein, dieses Land in die Zukunft zu führen.“Das gehe nicht mit „leeren Worthülsen“.
Der JU-Vorsitzende äußerte sich nicht dazu, ob er für eine Wiederwahl der seit mehr als 18 Jahren amtierenden Merkel als Parteichefin beim CDU-Bundesparteitag im Dezember plädiert. Jetzt stünden die Landtagswahlen im Vordergrund, betonte er. Er wolle nicht zu Sach- arbeit mahnen und als erstes Personalfragen beantworten. Allerdings heizt Ziemiak damit die Diskussion eher an. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat sich bereits für eine erneute Amtszeit Merkels als Parteichefin ausgesprochen. In dieser Legislaturperiode entscheidet sich, wie sie einen Wechsel für die Partei einleitet. Es gilt als ausgeschlossen, dass sie 2021 für eine fünfte Kanzlerkandidatur bereitsteht.
Im November sollen sowohl die Partei- als auch die Fraktionsspitze zu Klausurtagungen zusammenkommen. Es wird erwartet, dass dort die Ergebnisse der beiden Landtagswahlen analysiert und je nach Ausgang personelle Konsequenzen gezogen werden.
Nach dem„Bayerntrend“erreicht die CSU ein Rekordtief von 33 Prozent. Bei der Landtagswahl vor vier Jahren hatte sie mit 47,7 Prozent die Alleinregierung errungen. An- dere Umfragen sehen die CSU ein, zwei Prozentpunkte besser – lassen aber sogar Spekulationen über eine Mehrparteien-Koalition gegen die CSU zu. Ziemiak sagte, manche frühzeitige Schadenfreude werde amWahlabend verfliegen, weil Umfragen eben noch kein Ergebnis seien. Klar sei aber, dass alle drei Berliner Koalitionsparteien eine andere Politik machen müssten.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der eigentlich als Gastredner nach Kiel kommen sollte, sagte seine Teilnahme mit dem Verweis auf Verpflichtungen im Wahlkampf in Bayern ab. Aus der CSU-Spitze kommen aber Alexander Dobrindt und der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber. CSU-Chef Horst Seehofer tritt nicht in Kiel auf.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der schon vor Wochen auf Distanz zur CDU/CSU-SPD-Koalition im Bund gegangen ist, sagte der „Bild“-Zeitung zu der Umfrage: „Das sind alles Zahlen, die unglaublich geprägt werden durch Berliner Politik.“Er wolle keine Berliner Verhältnisse im bayerischen Landtag haben. „Interner Streit schadet immer – egal, von wem er kommt.“Seehofer hatte in den vergangenen vier Monaten zweimal eine scharfe Auseinandersetzung um die Migrationspolitik der Koalition provoziert. Der Asylstreit im Sommer hätte beinahe zum Bruch der Unionsfraktionsgemeinschaft geführt.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte unserer Redaktion, Söders Schuldzuweisungen seien ein durchsichtigesWahlkampfmanöver.
„Die CSU trägt die Hauptverantwortung für das anhaltende Chaos.“Die schwarz-rote Koalition im Bund sei eine „Notregierung der Wahlverlierer in Berlin“. Bayerns Regierungschef sei Teil der CSU, die drei Bundesminister stellt. „Söder wird es nicht gelingen, sich als Oppositionspolitiker im bayerischen Wahlkampf darzustellen.“